Auch das kann Altersvorsorge sein: Rechtzeitig einen Brief auf die Grüne Insel zu schicken.
Coastguard Station, Clifden Bay, Connemara, County Galway, Irland
Dear Brian
Vielleicht erinnerst du dich, wir waren im September 2010 in der Coastguard Station zu Gast. Thomas kam mit einem Auto, vollgestopft mit technischem Equipment, aus Zürich angereist und bezog für vier Wochen den Tower, um zu komponieren. Und ich traf zwei Wochen später ein, viele ungelesene Bücher im Gepäck, die ich zwar stets zum Holztisch im Garten mitnahm, aber auch dort kaum las. Weil mich der Blick über die Clifden Bay und den Atlantik immer wieder auf die Sky Road lockte. Zu einer Wanderung dem Himmel entgegen, entlang der ungezähmten Küste von Kingstown und Streamtown Bay, durch eine vom Sturm gehärtete und doch zart blühende Heidelandschaft, vorbei an allerlei Vieh, prächtigen Connemara-Ponys, in die Landschaft gesprenkelten Häusern und Kilometern von mit Moosflechten bewucherten, Stein um Stein geschichteten Trockenmauern.
Wir sind schnell miteinander ins Gespräch gekommen, ich habe dich gleich am ersten Tag auf deine Border-Collie-Hündin Gipsy angesprochen, und du hast erzählt, wie sie – die Streunerin – zu dir gefunden hat. Das war die erste deiner zahlreichen Geschichten. Manche handelten von den Eigenarten der Menschen in diesem Landstrich, viele von der Armut und politischen Unruhen seinerzeit, die meisten davon, wie du die Ruine der Coastguard Station in Jahren harter Arbeit zu neuem Leben erweckt hast.
Connemara ist für uns eine Seelenheimat
Ich kann mich noch gut an deinen irritierten Gesichtsausdruck erinnern, als Thomas und ich dir vorschwärmten, dass Connemara für uns eine Art Seelenheimat ist. Für einen, der als kleiner Farmer und Anbieter von Ferienwohnungen dieser strukturschwachen Region Monat für Monat sein Auskommen abringen muss, war das wohl etwas zu viel der Verklärung. Jedenfalls hast du uns eine Flasche überraschend guten Weins lang von deinem real existierenden Connemara, deinem erlebten Irland erzählt. Dass die irische Regierung nicht viel tauge, genau wie das Health Care System. Und wie die EU die Preise für Wolle und Milch kaputt gemacht habe und damit das Leben vieler Farmer. Ausserdem fahre einem das raue Klima mit den Jahren mächtig in die Knochen, ebenso wie die Abgeschiedenheit, und für Fremde sei es in dieser Gegend bei aller irischen Gastfreundschaft schwer, wirklich Fuss zu fassen.
Und während du versucht hast, uns von unseren Illusionen zu heilen, tauchte der leuchtendste Sonnenuntergang vom Horizont her die Bucht in flammendes, nie zuvor gesehenes Rot, untermalte das Rollen der Wellen den Singsang deines Irish English, zu dem das ferne Licht des Leuchtturms von Slyne Head den Takt vorgab. Gipsy lag unter dem Tisch und wärmte meine Füsse. Ich fragte dich, wo es dich hinzieht, was dein Sehnsuchtsort ist. Australien. Vielleicht auch die Schweiz, du würdest Luzern kennen, ein Schwager sei in die Nähe von Luzern ausgewandert. Ein anderer eben nach Australien.
Und dann sagtest du den Satz, wegen dem ich dir heute schreibe: «Ich werde die Coast Guard Station irgendwann verkaufen.»
Wenn du so weit bist, lass es uns wissen, wir träumen vom Tower. Es ist nicht so, dass wir dir nicht zugehört hätten damals. Aber wir kommen einfach nicht los von den Farben Connemaras, dem Wind, der die Landschaft formt, dem unversöhnlichen Meer, der Strasse zum Himmel. Und dem Gedanken, unsere Sommerabende am Holztisch im Garten mit Blick auf die Bucht zu verbringen, mit unserem Hund, der uns die Füsse wärmt.
Sincerely Martina & Thomas
www.coastguard-station.com
Martina Monti (49) ist stellvertretende Chefredaktorin annabelle