Stil
Zapfen, herrje! – Wie man erkennt, dass der Wein schlecht ist
- Text: Shirley-Ann AmbergFoto: Karin Heer
Ein guter Freund hat mir eine Flasche eines meiner Lieblingsweine geschenkt. Die guten Manieren ausser Acht lassend, habe ich diese auch gleich kredenzt und voller Vorfreude eingeschenkt. Lustvoll steckte ich meine Nase ins Glas … Zapfen, Herrje!
Mein Freund schlürfte bereits genüsslich vor sich hin, sein Glas war schon fast leer. Was tun? Ich habe ihm gesagt, was Sache ist. Er fand, dass der Wein trotzdem munde. Da blieb mir nichts anderes übrig, als in den Keller zu gehen, denselben Wein zu suchen, zu öffnen und ihm zu zeigen, was der Unterschied ist. Ein zapfiger, korkiger Wein hat keine Frucht, keine Intensität. Er schmeckt muffig und gibt Gänsehaut. Wer sich nicht sicher ist, ob ein zapfiger Wein im Glas ist oder ob «der halt so schmecken muss»: Wein mit viermal mehr Wasser verdünnen, dann kommt der Gänsehauteffekt stark hervor.
Für den Korkgeruch verantwortlich ist Trichloranisol, kurz TCA. Dieses entsteht durch Reste von Pflanzenschutzmitteln, die in die Korkeichenrinden eindringen. Absurd, aber wahr: Auch Weine mit Plastikzapfen können korkig sein. Schimmel im Keller kann ebenfalls TCA produzieren und dieses kann sich in Weinfässern oder auf Kunststoffkorken ausbreiten. Rund zehn Prozent aller Weine sind zapfig. Sollten Sie das Pech haben: mutig sein und zurückgeben. Schlimmstenfalls müssen Sie dafür eine hochgezogene Augenbraue in Kauf nehmen. Aber immer noch besser als muffigen Wein zu trinken. Mein Freund hat mir niemals wieder eine Flasche Wein geschenkt. Auch das kann eine Nebenwirkung von gutem Geschmack sein.
Shirley-Ann Amberg ist Sommelière im Haus Hiltl in Zürich.