Alles fährt Ski? Wir nicht! Wir spazieren durch die winterliche Schweiz. Gemütlich, damit wir das Knirschen des Schnees unter den Füssen hören. Weiter gehts in die Bündner Bergwelt - ins Fextal.
Das Fextal ist ein Engadiner Klassiker, schon klar, aber einer, dessen man niemals überdrüssig wird. Ich breche vom Hotel Waldhaus Sils auf, wo ich übernachtet habe, an einem Morgen wie im Bilderbuch, tiefblauer Himmel, Champagnerluft. In der Nacht hat es geschneit, in den Lärchen funkeln Eiskristalle, der Neuschnee ist so federleicht, dass er unter den Sohlen zerstiebt. Erst gehts durch den Wald, die Sonne bricht durch die Stämme, dann führt die Via da Fex hinaus ins offene Tal. Rechts haben sich Felsabstürze ausgebreitet, möglicherweise jahrhundertealt, ein paar besonders grosse Kolosse sind gefährlich nahe an den Rändern des Dorfes Crasta zum Stillstand gekommen.
Als Sonntagsspaziergänger, ganz ohne sportlichen Ehrgeiz (es reicht mir, Gipfel mit den Augen zu erstürmen), schätze ich am Wandern besonders die Rast. Nach vierzig Minuten erreiche ich das Hotel Sonne, das seinen Namen, ganztägig beschienen, nicht von ungefähr trägt. In der Gaststube, Arvenholz, setzte ich mich vors Panoramafenster. Von früheren Einkehrungen in diesem Lokal weiss ich die Kuchenauswahl zu schätzen, doch ich bin früh dran, die Vitrine ist noch leer, und im Gang wird gerade gesaugt. Ich bestelle einen Alpenkräutertee und lese die «Bündner Nachrichten».
Weiter gehts, sanft zieht sich das Tal hinauf zum Gletscher, nichts bewegt sich, ausser ich und ein paar Schönwetterwolken, die sich gemächlich verschieben. Der Weg mäandert dem Bach entlang, nie zu steil und trotzdem stetig steigend, das Licht ist gleissend wie auf Segantinis Gemälden, hoch oben gefrorene Wasserfälle über schroffem Fels und lange Speere aus Eis. Die Sonnenseite ist fast baumlos, während am Schattenhang lichte Arven- und Lärchenwälder wachsen. Gegen Mittag gelange ich zum Hotel Fex, einem Relikt aus der Frühzeit des alpinen Tourismus, 1850 erbaut in St. Moritz, 1900 in seine Einzelteile zerlegt und im hinteren Fextal wiederaufgebaut. Offenbar sind mir einige Wanderer zuvorgekommen, ich bin hier nicht der erste Gast, trotzdem reicht es für einen Terrassenplatz an der Sonne, Wolldecke über den Knien. Ich bestelle die Rösti Val da Fex mit Bergkäse, Bresaola und Steinpilzen.
Die Strecke zurück nach Sils-Maria bewältige ich zügig und pfeifend, ich grüsse knorrige Kutscher und in Wolldecken gerollte Passagiere samt Pferden, die mir in immer kürzeren Abständen entgegentraben. Das stille Tal füllt sich mit Leben.
Infos
Spaziergang: Von Sils-Maria bis zum Hotel Fex und zurück ca. 3 Stunden.
Einkehren: Hotel Fex und Hotel Sonne, beide liegen am Weg, beide servieren feine regionale Gerichte. Kultur: Täglich um 16 Uhr spielt im Hotel Waldhaus Sils die Hauskapelle zum Teekonzert auf.
Philosophisches: Für einen Besuch im Nietzsche-Haus in Sils-Maria lohnt es sich, viel Zeit mitzubringen.
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Einkehren im Hotel Sonne: Hier werden feine regionale Gerichte serviert