Wie ist es eigentlich, wenn nach einer OP etwas im Bauch zurückbleibt?
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Matthyas Jenny aus Basel erzählt, wie aus einer Notfall-OP ein monatelanges Leiden wurde.
Matthyas Jenny (66), Buchhändler, Basel
Vor einigen Jahren fühlte ich mich plötzlich elend. Ich war erschöpft, das Thermometer zeigte erhöhte Temperatur. Ich lag apathisch auf dem Bett. Vielleicht habe ich eine Grippe, dachte ich und: Irgendwie geht es dann schon weiter. Doch dem war nicht so.
Als mich meine Tochter Zoe besuchte, war sie entsetzt, mich so zu sehen. Sie hatte Angst um mich und verständigte sofort den Notarzt. Dieser überlegte nicht lange und schickte mich ins Spital. Inzwischen hatte ich heftige Bauchschmerzen. Der Arzt meinte, es könnte ein geplatzter Blinddarm sein. Sofort wurde ich notfallmässig operiert. Man entfernte ein grosses Stück meines Dickdarms. In der Bauchhöhle hatte sich bereits Eiter gebildet. Beim Operieren hat man sämtliche Eingeweide rausgenommen, sie gereinigt, desinfiziert und dann in meinen Bauch zurückgelegt. Die Operation verlief komplikationslos.
Der Chirurg erklärte mir, dass sich im Darm Divertikel gebildet hatten. Das sind Ausstülpungen der Dickdarmschleimhaut. Das kann zu einem Darmdurchbruch führen, was ganz schön gefährlich sei.
Nach der Operation hatte ich weiterhin heftige Schmerzen, die immer stärker wurden. Alle Schmerzmittel nützten nichts. Ich dachte, das sei normal nach einem solchen Eingriff, und akzeptierte meinen leidigen Zustand, ohne mir weiter gross Sorgen zu machen.
Die Schmerzen nahmen nicht ab. Meine Temperatur war nach wie vor erhöht. Reglos lag ich auf dem Bett. Mich interessierte nichts mehr. So was hatte ich noch nie erlebt. Ich ass fast nichts mehr und nahm innert Kürze 15 Kilo ab.
Mein Hausarzt wies mich eine Woche nach der Operation wieder in die Klinik ein. Von meinem Bauch wurde ein Röntgenbild gemacht. Da war etwas beim Darm, was nicht da sein sollte. Es war ein Operationstuch. Man konnte das anhand eines Magnetstreifens feststellen, der am Tuch angebracht ist. Der Lappen war der Auslöser für meine anhaltenden Schmerzen.
Die Klinik beauftragte einen anderen Chirurgen damit, mich zu operieren. Trotz des Röntgenbilds war es nicht einfach, das Tuch zu finden. Es hatte sich mit dem Darm verschlungen.
Der zuständige Chirurg hat sich bei mir entschuldigt und den Fehler mit der Hektik bei der ersten Operation erklärt. Das viele Blut habe die Sicht verschlechtert. Das OP-Team war bei meinem Eingriff zu klein, weil man von einem geplatzten Blinddarm ausgegangen war.
Man erklärte mir, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass hin und wieder Dinge im Körper eines Patienten liegen bleiben. Der Professor der Abteilung bot mir an, ich könne als Erstklasspatient bei ihnen liegen. Ich musste nichts bezahlen. Ich war erstaunt über die grosszügige Behandlung und auch darüber, dass man den Fehler zugegeben hat. Nach einer Woche im Spital ging es mir besser. Doch ich habe mich zirka ein halbes Jahr sehr schwach gefühlt und konnte meiner Arbeit kaum nachgehen. Ich habe keine Versicherung, die mir bei Krankheit den Ausfall bezahlt. So beschloss ich, einen Anwalt zu konsultieren. Jemand sollte meinen Ausfall bezahlen. Ich wollte sogar Schmerzensgeld für den erlittenen Schaden geltend machen. Der Anwalt hat mir abgeraten zu prozessieren. Das sei sehr kostspielig, und am Ende bekomme man nichts. So habe ich die Idee fallen gelassen. Das Tuch habe ich noch, man hat es mir bei meinem Austritt aus dem Spital als Souvenir mitgegeben.