Vidal Sassoon war der Feminist mit der Haarschere – Ein Nachruf auf den Starfriseur
- Text: Isolde BurtscherBilder: Vidal Sassoon
Am 8. Mai ist der Starcoiffeur Vidal Sassoon 84-jährig in Los Angeles gestorben. Seine Visionen haben die Haarmode für immer verändert.
Der gebürtige Brite Vidal Sassoon revolutionierte sein Handwerk und prägte mit seinen Frisuren eine ganze Ära. Es gibt die Zeit vor Sassoon und die danach. Vorher trotze Frau der Schwerkraft mit voluminös auftoupierten und mit Haarspray fest betonierten Turmfrisuren und quälte sich mit Dauerwellen, Lockenwicklern und Trockenhauben. Sie zwängte sich in Korsetts und wollte in erster Linie ihrem Ehemann gefallen.
Der Beginn der Sechzigerjahre markiert den lange fälligen und buchstäblichen Einschnitt: Mary Quant und André Courrèges schneiden die Röcke ab, und Vidal Sassoon zückt seine Haarschere. Mit messerscharfen Konturen und strenger Symmetrie erfindet er den Bob neu. Über Nacht berühmt wurden seine von der Bauhaus-Architektur inspirierten Schnitte 1963, als Model Grace Coddington und Schauspielerin Nancy Kwan damit das Cover der britischen Vogue zieren. Zwei Jahre später kreiert der Shooting-Star für Emanuel Ungaro den ersten asymmetrischen Haarschnitt mit langen, ein Auge verdeckenden Stirnfransen.
Vidal Sassoons «Schüttelfrisuren»
Erstmals orientieren sich Haarschnitte an der individuellen Gesichts- und Kopfform und sind genial einfach zu stylen. Vidal Sassoons perfekt geschnittene «Schüttelfrisuren», die durch blosses Kopfschütteln in die richtige Form fallen, machen Toupierkamm und Haarspray obsolet und bedeuten pure Emanzipation. So muss das auch Frank Sinatra gesehen haben, als die Haare seiner damaligen Frau Mia Farrow 1968 während der Dreharbeiten zu Rosemary’s Baby von Sassoon zum legendären Pixie-Cut gekürzt wurden. Der nicht gerade progressive Sänger liess ihr daraufhin die Scheidungspapiere ans Set schicken.
Vidal Sassoon beschert der Film den endgültigen internationalen Durchbruch. Bald stehen die Stars Schlange für einen Cut vom Meister, sein Name wird zur Marke. Der clevere Geschäftsmann gründet eine Salonkette und lanciert eine Pflegelinie, deren Werbeslogan «If you don’t look good, we don’t look good» in den Achziger Jahren in aller Munde war.
Als er 1983 sein Unternehmen verkauft, setzt dieses stolze 113 Millionen Dollar pro Jahr um. Der bekennende Workaholic Vidal Sassoon gibt zu, dass seine ersten drei Ehen dem Einsatz fürs Geschäft zum Opfer fielen. Mit seiner vierten Frau lebte er seit 10 Jahren in Los Angeles ein eher zurückgezogenes Leben.
Seine Akademien in London, Los Angeles und Shanghai sorgen unterdes dafür, dass das Vermächtnis des verstorbenen Revolutionärs an Generationen von Coiffeuren weitervermittelt wird und unzähligen Frauen das Leben leichter macht.
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Der Five-Point-Cut von Vidal Sassoon
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Die Kreation Sassoons für Ungaro
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Vidal Sassoon
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Vidal Sassoon in jungen Jahren
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