Stil
Trendy & fair – aus dem Gefängnis
- Redaktion: Viviane Stadelmann; Foto: Made in Carcere, Carcel, In Galera, Koestler Art
Kunst, Zierkissen oder gar ein Restaurant: Diese sozialen Gefängnisprojekte bieten Insassinnen und Insassen neue Perspektiven – und produzieren erst noch tolle Produkte.
Eine Meldung über das profitgierige Geschäft mit Gefangenen machte vor einigen Jahren wie ein Lauffeuer die Runde in internationalen Medien. Grosse Konzerne, darunter beispielsweise Walmart und Starbucks, lassen einen Teil ihrer Produkte in Gefängnissen produzieren – zu einem solch niedrigen Lohn, dass dem Business hinter Gittern der Ruf der Sklaverei des 21. Jahrhunderts anhaftet. Dass es aber auch anders geht, beweisen Projekte, die den Häftlingen Weiterbildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten, einen fairen Lohn, Wertschätzung und eine neue Perspektive bieten. Neben Carcel, einem Label, das Mode – produziert von Gefängnisinsassinnen – anbietet (siehe aktuelle annabelle-Print-Ausgabe), stellen wir hier fünf weitere Projekte vor, die sowohl mit Ethik als auch mit den Produkten selbst überzeugen.
1.
Ins Leben gerufen hat Made in Carcere die Italienerin Luciana Delle Donne. Vorher als Führungsperson in der Finanzbranche tätig, verliess sie ihren Job, um ein eigenes, nachhaltiges Unternehmensmodell zu gründen, das gesellschaftlich Benachteiligten hilft. Das Ergebnis: Sie bietet Gefängnisinsassinnen in Lecce eine Ausbildung, einen Lohn und Nähworkshops, in denen sie wiederverwendbare Taschen anfertigen. Diese verkauft sie dann an Organisatoren von Konferenzen und Messen, die normalerweise für Goodies oder Prospekte jeweils auf Plastik- oder Papiersäcke zurückgreifen – eine unglaubliche Verschwendung, wie Luciana Delle Donne findet. Mittlerweile hat sich das Sortiment um einige Produkte erweitert.
2.
Koestler Trust kümmert sich mit einem breiten Ansatz um Gefangene: Nicht nur fördert und verkauft die Galerie Bilder und kunstvolle Postkarten, die von Insassinnen und Entlassenen gemacht werden, sie fördert auch Talente mit Workshops und spezifischen Ausstellungen. Bekannte Künstler geben Häftlingen direktes Feedback zu ihrer Kunst, damit sie sich auf professioneller Ebene weiterentwickeln können. Ebenso betreibt Koestler Trust mit Events Aufklärungsarbeit und schafft Verständnis für die Insassinnen.
3.
Ein Restaurant in einem Gefängnis mit besten Trip-Advisor-Bewertungen? Das gibt es tatsächlich, und zwar in der Nähe von Mailand. Im Gefängnis Bollate wurde 2004 die Idee geboren. Auch hier steckt ein soziales Businessmodell dahinter, das sich mehr als rentiert: sowohl für die Gefangenen, die im Service und in der Küche eine Ausbildung absolvieren können, als auch für die Gäste, die Vorurteile abbauen und ein feines Essen geniessen. Zudem lohnt sich das Modell auch finanziell für den Betrieb und die Mitarbeiter.
4.
Auch der Schweizer Justizvollzug fördert die Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag von Häftlingen im offenen Vollzug mit der Herstellung und dem Verkauf handgemachter Produkte. Die Haftanstalt Pöschwies hat eine Fülle verschiedener Produkte im Angebot: ob Pflanzen oder Gemüsesetzlinge, hübsches Kinderspielzeug und Holzschaukeln oder gleich ein massives Bett mit Nachtisch. Im Hofladen in Regensdorf können die Produkte erworben werden.