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Tom Pêcheux für Estée Lauder: Der Mann fürs Schöne

Stil

Tom Pêcheux für Estée Lauder: Der Mann fürs Schöne

  • Text: Isolde Burtscher

Erstmals in der Firmengeschichte hat Estée Lauders Make-up Division einen Frontmann: Tom Pêcheux. Den Einstieg gibt der Franzose mit der Herbstkollektion Blue Dahlia.

Er hat eine Leidenschaft fürs Backen und kam als 18-Jähriger aus der französischen Provinz in die Hauptstadt, um Patissier zu werden. Doch im Paris der Achtzigerjahre fand Tom Pêcheux in der Schminkkunst eine noch grössere Passion, die sein Leben bis heute bestimmt. Seine Ästhetik ist sexy und chic, und sein Mantra lautet: Schönheit kommt vor Kreativität. Seine Make-ups haben Tom Fords legendäre Gucci-Kampagnen mitgeprägt und gaben der Mode von Prada, Marni, Jean Paul Gaultier oder Yves Saint Laurent bei den internationalen Schauen ein Gesicht.

Seit Beginn seines Engagements als Creative Director der Estée Lauder Make-up Division im November letzten Jahres arbeitet der Franzose daran, der Grand Old Lady der Kosmetik ein modischeres, fantasievolleres, frecheres und vor allem jüngeres Gesicht zu geben.

annabelle: Tom Pêcheux, was ging Ihnen als Erstes durch den Kopf, als Sie für die Position des Creative Director bei Estée Lauder angefragt wurden?

Tom Pêcheux: So etwas wie «Mon Dieu, was für eine schöne, überraschende Herausforderung!» Ich bin Franzose und als Make-up Artist von daher sehr mit den französischen Kosmetikmarken vertraut. Und plötzlich fragt mich die grösste amerikanische Kosmetikfirma an! Die dazu noch die luxuriöseste ist und ein Familienunternehmen. Man kommt in ihre Büros im 42. Stock, mit Blick über den Central Park und ganz Manhattan, und man denkt: Nicht schlecht, gar nicht schlecht!

Ist die Zusammenarbeit anders als mit einem französischen Unternehmen?

Das kann ich nicht beurteilen, ich habe ja nie mit einer französischen Firma zusammengearbeitet, sondern neun wundervolle Jahre mit Shiseido. Und wenn sie nicht in Japan sässen, würde ich wohl immer noch mit ihnen arbeiten. Doch eines Tages konnte ich nicht mehr mit dem Jetlag umgehen, das ständige Hin und Her brachte mich schier um. Ich kann ja extrem nett sein, aber wenn ich müde bin, werde ich zum Monster. Kommt hinzu, dass sich die Welt der Mode und der Celebritys in Europa und in New York oder Los Angeles dreht und ich das Gefühl hatte, mehr und mehr den Kontakt zu verlieren.
Wo wollen Sie Estée Lauder mit Ihren Kollektionen hinführen?

Das ist momentan noch sehr schwer zu beantworten, da wir gerade erst begonnen haben. Es klingt vielleicht nicht sehr nett, aber es gibt viel zu tun, vor allem möchte ich die Firma aufrütteln, dem Spass und der Verspieltheit mehr Raum geben. Fällt der Name Estée Lauder, höre ich immer wieder: Oh, meine Mutter liebt es! Oder: Meine Grossmutter benutzt nur das! Nichts gegen Kundinnen um die fünfzig oder älter – ich liebe meine Mutter und meine Grossmutter. Wenn wir aber junge Frauen für diese Marke begeistern wollen, dann können wir das nicht mit denselben Produkten erreichen. Eine Zwanzigjährige hat andere Bedürfnisse als eine Fünfzigjährige. Und ich will, dass sich auch die Frauen, mit denen ich als Stylist arbeite, für Estée Lauder begeistern. Dazu muss ich sie aber auch ansprechen; die neuen Visuals sind ein erster Schritt, sie sind viel freier und cooler, als man es von Estée Lauder gewohnt ist.

Warum fiel Ihre Wahl auf die beiden Models Constance Jablonski und Hillary Rhoda?
Weil sie sich perfekt ergänzen: Constance wird meine Alltags-Ikone sein und Hillary meine Mode-Ikone. Verstehen Sie den Unterschied? Constance repräsentiert, wie jedes Girl täglich aussehen sollte: hinreissend, sexy, selbstbewusst, entspannt. Hillarys Look ist etwas stärker und gewagter. Für Modebegeisterte, die gern mit Make-up spielen.

Wird sich die Verjüngung auch im Packaging zeigen?

Nicht sofort. Als ich meine Zusammenarbeit mit Estée Lauder begann, war das Packaging dieser ersten Kollektion bereits designt. Es stellt bereits einen Riesenfortschritt dar. Aber es ist immer noch ein bisschen zu damenhaft.

Kriegt Estée Lauder nun einen europäischeren Touch?
Ich würde es nicht europäisch nennen, sondern international.

Also wollen Sie die Marke globalisieren?

Die Leute sagen ständig, dass alles immer globaler wird. Das stimmt nicht. Allein zwischen Frankreich und Belgien gibt es bereits gewaltige Unterschiede. Oder zwischen den Franzosen und den Engländern. Und doch haben alle Frauen einen Wunsch gemeinsam: Sie alle wollen schön sein, ich kenne keine Frau auf dieser Welt, die hässlich sein möchte. Was wir kreieren, ist also die Antwort auf die Bedürfnisse aller Frauen, wir respektieren aber ihre Unterschiede wie Hautfarbe oder Alter. Von daher ist mein Ziel bei Estée Lauder, für Vielfalt zu sorgen. Ich möchte keiner dieser Kreateure sein, die sagen: Du musst in dieser Saison roten Lippenstift tragen oder blauen Lidschatten. Nein. Ich liebe blauen Lidschatten, doch wenn Sie ihn nicht mögen, biete ich Ihnen 43 andere Farbtöne. Und 43 Lipgloss-Nuancen. Das ist meine Philosophie.

Wie wird die ältere Estée-Lauder-Kundin die Blue-Dahlia-Kollektion aufnehmen?
Sie wird begeistert sein. Da mache ich mir keine Sorgen.
In letzter Zeit stehen die Make-up Artists der Kosmetikbrands viel mehr im Rampenlicht. Wie kommt das?

Als Freelancer arbeiten Aaron de Mey, Peter Philips oder ich nicht nur für Lancôme, Chanel oder Estée Lauder. Sondern immer wieder auch mit Menschen, für die sich die Öffentlichkeit interessiert. Wir machen Fotoshootings, Werbung, Modeschauen … Bleibt man nur innerhalb der Kosmetikfirmen, engt man seine Welt sehr ein.

Wer oder was hat Sie als Make-up Artist geprägt?
Ende der Achtzigerjahre begegnete ich Carine Roitfeld und Mario Testino. Wir hatten alle dasselbe Feuer. Zu der Zeit gab es nur zwei Tendenzen: Den amerikanischen Geschmack à la Hollywoodglamour, mit dicker Foundation, starken Brauen, Lidschatten bis unter die Brauen, falschen Wimpern, Eyeliner, Lippenkonturenund all dem. Oder die britische Variante, den Grunge, der überhaupt nichts Glamouröses an sich hatte. Glamour war also sehr altmodisch, und Grunge hatte keinen Glamour. Carine, Mario und ich haben dann dieses neue Girl geschaffen: kurze Jeans, offenes Haar, sehr leichte Foundation, rauchiges, dunkles, leicht verschmiertes Augen-Make-up und Lippen, die wie nach einem Glas Rotwein aussehen. Das war eine neue Art, Luxus zu inszenieren, ohne trashig oder zu steif zu sein. Diese Anmutung wurde zu unserem Markenzeichen.

Welche der von Ihnen kreierten Looks würden Sie selbst als unvergesslich bezeichnen?
Da war die Gucci-Show mit Tom Ford. Grüner Glitter auf den Lidern und ein sehr punkiger Eyeliner. Dann eine Prada-Show, etwa zwei Jahre später, mit nichts ausser einem roten, matten Lippenstift. Keine Mascara, keine Foundation, nur etwas Concealer. Und schliesslich, kürzlich, die Yves-Saint-Laurent-Show mit den schwarzen Lippen.

Wird es ähnlich starke Looks bei Estée Lauder geben?

Bei Estée Lauder mache ich das Make-up nicht nur für diese eine Frau, diese eine Show oder dieses eine Foto. Deshalb muss ich in einer Kollektion mehrere Möglichkeiten bieten.

Gibt es für Sie also keine Farbe der Saison?

Doch. Blau. Wie ich es in der Derek-Lam-Show verwendete und wie Sie es jetzt in der Blue-Dahlia-Kollektion finden.

Muss dieser Look nicht sehr genau geschminkt werden?
Was, wenn jemand das nicht so beherrscht?
Keine Angst – es ist nur Make-up. Experimentieren Sie, und haben Sie Spass damit!