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«Strega Nona Fall»: Wie sich eine italienische Nonna zur Stilikone des Herbstes hext

Fashion

«Strega Nona Fall»: Wie sich eine italienische Nonna zur Stilikone des Herbstes hext

  • Text: Linda Leitner
  • Bild: Instagram/rabbit_hole_kc Instagram/simonenoa; Collage: annabelle

Weiss man einmal kurz nicht, was anziehen, braut einem das Internet ein schmackhaftes Trend-Süppchen. Social Media zaubert nun den «Strega Nona Fall» herbei – dabei wollen plötzlich alle aussehen und leben wie die Pasta kochende Hexe aus einem Kinderbuch.

Es war einmal… ein Social-Media-Phänomen, das nannte sich «Brat-Summer». Ja, diesen Sommer sollte man auf alles scheissen: den BH unterm transparenten Tank Top, die Tatsache, dass Rauchen schädlich ist und dass ein ausschweifendes Leben einen aschigen Glow macht. Man wollte eine ungezogene Göre sein – ein bisschen schlampig, überdosiert hedonistisch und auch irgendwie forever young and vibrant.

Inzwischen regnet es viel und auch wenn die Sonne scheint, klappt das mit dem Nippelzeigen nicht mehr so richtig. Um sich ohne Gänsehaut bauchfrei durchs Laub zu manövrieren, müssten Wunder geschehen. Es gilt also, umzudenken. Um den Nachsommer zu einer mystischen, gar märchenhaften Jahreszeit zu machen, hat das Internet kurzerhand eine neue Ikone herbeigezaubert: Es sei «Strega Nona Fall», heisst es auf TikTok und Instagram.

Das ist semi-korrektes Italienisch (sexy!), bedeutet so viel wie «Oma-Hexen-Herbst» (sexy?) und fusst auf dem gleichnamigen Kinderbuch aus dem Jahre 1975, geschrieben und illustriert vom Amerikaner Tomie dePaola.

Wer zur Hölle ist Strega Nona?

Strega Nona ist also eine Hexe im Seniorinnen-Alter, deren magische Kernkompetenz neben Heilen und Liebeszaubern im exzessiven Zubereiten von Teigwaren liegt. Das mag nach frechem Brat klingen, im Grunde aber ist sie eine ganz liebe Maus, da sie mit ihrem sich von Zauberhand nachfüllenden Nudeltopf den Einwohner:innen einer kalabrischen Stadt unter die armen Arme greift.

Weil sie schon ganz alt ist, stellt sie den neugierigen Big Anthony als Pasta Boy an. Der aber verpatzt den Zauberspruch, der die laufende Produktion stoppt, und so wird die ganze Stadt von einer Nudel-Lawine überrollt. Achtung, Spoiler: Strega Nona schreitet natürlich rechtzeitig ein und wirft dem überquellenden Topf die nötigen drei magischen Küsse zu.

The Season of the Witch

Nach der übersexualisierten Brat-Ästhetik, deren heissestes Accessoire ein dampfender Vape mit Blueberry-Ice-Geschmack war, zieht es uns nun also an den brodelnden Kessel einer resoluten betagten Dame.

Was sich die Cool Kids von der kleinen Oma nun aber längst abgeschaut haben, sind Kopftücher, schürzenähnliche Jupes und voluminöse Wollpullis, Cardigans und Pullunder. Dabei hat man den Oma-Look vermutlich längst im Schrank, das Zauberwort lautet Layering. Dabei wird dicker Strick über weite Silhouetten gelegt, Karomuster dürfen zu Brokat getragen werden. Das Styling gleicht dem wilden Mixen eines Zaubertranks.

Wichtig: Gemütlich und warm soll es sein. Nach all den langen Sommernächten, sehnen sich selbst die wildesten Geschöpfe nach Ruhe. Alt aussehen will noch immer niemand, sich so verhalten schon eher. Den «Granny Lifestyle» zu leben, bedeutet früh ins Bett zu gehen und dort auch zu bleiben. Einfach mal nichts müssen. Es ist eine Glorifizierung des langsamen Renter:innenlebens – aber auch der Hexe. Glüht euer Salbeibündel schon?

Ariana Grande bringt das Musical «Wicked» zurück in die Kinos, H&M verkauft schon jetzt den passenden diabolisch-schwarzen Merch und auf Disney+ lässt sich dank der Marvel-Serie «Agatha All Along» ein Hexenzirkel streamen. Wir rechtfertigen kleine Krisen mit Mondphasen, platzieren Kristalle, räuchern «bad vibes» weg.

Hexen ist kein nischiges Hobby mehr. «Das Geheimnis hinter dem Witch-Trend ist die Rückbesinnung auf die Natur, aufs Handwerk und das analoge Leben, von dem wir alle heimlich träumen. Und ehrlich gesagt ist da schon das Kochen einer richtig guten Suppe angewandte Magie», flüsterte uns Alexandra Kruse, unsere astrologische Haus-und-Hof-Fee, zu.

Trost in einer turbulenten Zeit

Alle, die mit wahrer Magie wenig anfangen können, binden sich ein hübsches Foulard um, häkeln einen Untersetzer für die Teekanne, sammeln einen prallen Sack Kastanien statt virtueller Likes und machen sich einen grossen Topf warmer Bolo. Comfort Food eben. Die Hexe verspricht Trost in einer turbulenten Zeit.

«Wir sehen, dass die Welt an so vielen Stellen wackelt und sehnen uns nach kosmischer Ordnung», so Kruse mit funkelnden Augen. Dass die betagte Strega Nona im Gegensatz zur überdrehten Teenager-Sabrina aus der Nineties-Serie «Total verhext!» dazu noch weiss, wie man entschleunigt durchs Leben zuckelt, macht sie zur perfekten Zeitgeist-Ikone. Die kennt keine FOMO, die hat schon genug erlebt.

Bedeutet die Strega-Nona-Ästhetik nun aber, sämtliche Hotness einzubüssen? Mitnichten, weiss das wandelnde Stil-Orakel Alexandra Kruse: «Die wilde Weiblichkeit ist zurück und die lässt sich weder verstecken, verbrennen noch sonst wie unterdrücken.» Auch nicht unter weiten Röcken und riesigen Strick-Pullundern. Man ist so heiss wie der dampfende Teller Pasta vor einem.

Der perfekte Witch Look

Sexiness und Sinnlichkeit sind keineswegs abhängig von der Kürze des Rocks oder dem Flächenanteil nackter Haut. «Ich finde alles, was uns so richtig gut und powerful fühlen lässt, ist der perfekte Witch Look – natürlich schadet ein bisschen schwarze Spitze neben Selbstgestricktem nie», rät sie. Nur wer sich stark, wohl und warm fühlt, strahlt das aus. Und das ist theoretisch sogar in der langen Unterhose unterm Maxirock möglich.

Schliesslich ist auch die Strega Nona eine wahre Heldin, Retterin und Rebellin: Aus diversen Schulbibliotheken in den Vereinigten Staaten wurde das Kinderbuch, in dem sie Protagonistin ist, verbannt – es würde Hexerei fördern, so der Vorwurf. Na und? Eine echte Hexe lässt sich nichts verbieten. Und ist Brat at heart.

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