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Stoff für Stories

Stil

Stoff für Stories

  • Redaktion: Jacqueline Krause-Blouin, Barbara Loop; Produktion: Martin Berz; Fotos: Marie-Christine Gerber

Kleider ziehen uns nicht nur an, sie können auch Erinnerung an ganz spezielle Ereignisse sein. Vier Prominente erzählen uns die Geschichte hinter ihren Kultkleidungsstücken. Ausserdem: In der Bildergalerie verraten annabelle-Mitarbeitende Anekdoten zur neuen annabelle-Serie «Stoff für Stories».

Das Grand-Prix-Kleid

Paola Felix-Del Medico, Sängerin und Moderatorin

«‹Bonjour, Bonjour, es ist schön, dich mal wiederzusehn …› Fast fünfzig Jahre ist es her, dass ich mit diesem Lied 1969 in Madrid für die Schweiz am Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie der Wettbewerb damals hiess, auftrat. Man denkt ja immer, heute sei die Show viel wichtiger geworden, fast wichtiger als die Musik. Aber schon damals drehte sich vieles um die Optik. Das Outfit, das man trug, wurde mit genauso grosser Neugierde erwartet wie das Lied, das man sang.
Bereits bei den Anproben war die Presse dabei, im ‹Blick› erschien eine Reportage über die Entstehung des Kleids, auch die spanischen Medien interessierten sich für mein Kostüm. Entworfen wurde es von Akris, die Stickerei stammt vom St. Galler Unternehmen Forster Willi, das heute Forster Rohner heisst. Ich habe also die Schweiz nicht nur musikalisch vertreten, sondern war auch Botschafterin für meine Heimatstadt, die Textilstadt St. Gallen. Das Farbfernsehen war damals neu. Die Spanier waren technisch aber noch nicht so weit, nur dank der deutschen Übertragungswagen konnte man den Auftritt zuhause in Farbe sehen. Ich erinnere mich noch, wie überzeugt ich von meinem Lied und von meinem Kleid war. Das Outfit, die Musik und ich mit jungen 18 Jahren – es war die perfekte Symbiose. Gleich vier Sängerinnen teilten sich in jenem Jahr den Sieg. Ich war mit dem zweiten Platz sehr glücklich, dieser Erfolg war für mich der Einstieg in meinen Beruf als Sängerin. Darum bedeutet mir das Kleid auch so viel. Während meiner Karriere trug ich noch viele tolle Kleider. Das passt, denn mein Vater, ein italienischer Einwanderer, war Massschneider.»

Paola Felix-Del Medico steht auch heute noch vor der Kamera, für eine Modelinie, die ihren Namen trägt

Die Gewinnershorts

Stan Wawrinka, Tennisprofi

«Die Shorts wurden mir von meinem japanischen Ausrüster Yonex für die Sandplatzsaison 2015 zur Verfügung gestellt. Ich fand sie von Anfang an cool, auch dann noch, als sich die Medien über sie lustig machten. Einige Journalisten bezeichneten sie sogar als Pyjamahose, und es erschienen zahlreiche Karikaturen. Man wollte mir schon die Fashionpolizei vorbeischicken und zweifelte an meinem Sinn für Mode. Aber dann kam Roland Garros.
Ich schlug Roger Federer und gewann das Final gegen Novak Djokovic. Mein zweiter Grand-Slam-Sieg! Es war einer meiner grössten Erfolge, ein sehr emotionaler Moment. Plötzlich entstand ein riesiger Hype um die Shorts. Sie waren sofort ausverkauft, Yonex liess sogar Schlüsselanhänger davon produzieren, die sich toll verkauften. Selbst Novak Djokovic wollte einen haben. Als ich nach dem Final in Roland Garros zur Pressekonferenz ging, habe ich die Shorts mitgebracht und übers Pult gehängt. Die Journalisten sind in lautes Gelächter ausgebrochen. Ich würde die Shorts definitiv wieder tragen, vielleicht bringen sie ja Glück! Auf jeden Fall bleiben sie in Erinnerung. Oder wissen Sie etwa noch, was ich getragen habe, als ich die Australian Open gewann?»

Der Kultkittel

Ernst Fischer, Inhaber Fischer-Bettwaren-Fabrik

«Ich trage so einen weissen Kittel, seit ich das Geschäft gegründet habe, seit fünfzig Jahren also. Einen emotionalen Wert hat er für mich nicht, er ist ein Arbeitsinstrument. Ein weisser Mantel, weisses Hemd und blaue Krawatte, das müssen bei uns alle Angestellten tragen. So lang ich lebe, wird es keinen anderen Mantel geben. Auch mein Nachfolger darf daran nichts ändern, das ist Bedingung. Der Mantel ist hygienisch, da lege ich Wert drauf, denn wir machen saubere Sachen. In einem Betrieb, der sauber ist, wird auch sauber gearbeitet. Unser erster Werbefilm wurde vor 15 Jahren auf Tele Züri ausgestrahlt. Es war schon immer mein Wunsch, unser Geschäft eines Tages ins Fernsehen zu bringen. Es kamen dann ein paar Leute vorbei, die das produzieren wollten. Zwei sagten: ‹Das geht nicht mit Ihnen.› Der dritte war auch dagegen, drehte den Spot dann aber doch. Ich überlegte kurz, ob ich vor der Kamera etwas anderes tragen soll. Aber so ein weisser Schurz passt zum Produkt.
Ich war nicht sicher, ob das mit der Werbung, auf Deutsch gesagt, in die Hosen geht. Ich schlief ein paar Nächte lang schlecht, und dann ging es Gott sei Dank doch noch gut aus. Die Medien schrieben darüber. Die einen fanden es gut, die anderen nicht, sie machten sich auch lustig über mich, aber das ist nicht wichtig, schliesslich haben wir seither mehr Kunden, pro Tag vierzig bis fünfzig. Vor dem Spot waren es vier bis fünf Kunden pro Woche. Ich werde auf der Strasse oft erkannt. Nicht am Kittel, denn der bleibt immer im Geschäft, aber an der Stimme. Berühmt zu sein, bedeutet mir nichts. Ich bin ein normaler Arbeitsmensch.»

Das Vereidigungskleid

Elisabeth Kopp, Alt-Bundesrätin und 1984 die erste Frau in der Landesregierung

«Vor meiner Zeit als Bundesrätin war ich bereits Gemeindepräsidentin von Zumikon und Nationalrätin und hatte folglich wenig Zeit zum Kleiderkaufen. Also kam viermal im Jahr jemand vom Geschäft Oscar Rom mit einer Auswahl an Kleidern zu mir nachhause. Es hatte an dem Tag, an dem ich das Kleid gekauft hatte, niemand auch nur im Entferntesten daran gedacht, dass der Herr Bundesrat Friedrich zurücktreten und sich die Frage einer Ersatzwahl stellen würde. Dieses Kleid hatte ich also nicht extra für die Vereidigung gekauft. Das Oberteil ist in einem sehr schönen Blau gehalten und der Jupe, in grossem Karo, nimmt das Blau wieder auf. Ich habe nicht bewusst auf eine Schweizer Marke gesetzt, wusste auch nicht, dass es von Akris war. Es hat mir halt gefallen, und es hatte einen weiten Jupe, mit dem man bequem sitzen konnte. Als Politikerin sitzt man ja viel. Ausserdem sieht man allfällige Flecken bei der Farbe nicht so gut.
Am 2. Oktober 1984, dem Tag der Ersatzwahl im Bundesrat, stand ich dann einigermassen ratlos vor meinem Kleiderschrank. Eigentlich wäre ja ein Deuxpièces angebracht gewesen, aber ich entschied mich für das Kleid, in dem ich mich am wohlsten fühlte. Meine Wahl stand nicht von Anfang an fest, meine Partei hatte eine Zweierkandidatur aufgestellt, den Nationalrat Bruno Hunziker und mich. Als das Resultat verkündet wurde, habe ich mich erschrocken. Ich spürte die Erleichterung über den Fortschritt, aber auch die zentnerschwere Verantwortung, die mit dieser Wahl plötzlich auf meinen Schultern lastete.
Mit mir wurde das erste Mal eine Frau in den Bundesrat gewählt – das war das Entscheidende, nicht, dass ich es war. Ich hätte mich genauso gefreut, wenn es eine andere gewesen wäre. Ich wusste, wie wichtig es ist, dass Frauen mitreden. Nicht weil sie alles besser können, aber weil sie andere Prioritäten setzen als Männer und diese Mischung wesentlich für unsere Politik ist. Meine Garderobe wurde immer ganz besonders beäugt. Natürlich musste ich dossierfest sein, aber ebenso selbstverständlich war für mich, dass ich die Frauen auch optisch repräsentierte. Sie mussten sich doch mit mir identifizieren können. Eine Journalistin hat mir einmal vorgeworfen, dass ich immer die gleiche Lippenstiftfarbe trage. Ich sagte ihr, dass ich Bundesrätin sei und nicht das Mannequin der Nation. Eine Verkäuferin sagte mir, dass nach meiner Vereidigung viele Frauen etwas im sogenannten Kopp- Blau suchten. Das hat mich amüsiert. Ich hatte ja anderes zu tun, als Trends zu setzen, aber offenbar ist es mir da einmal passiert.»

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1.

annabelle-Bildredaktor Martin Berz: «Das Kleid von Elisabeth Kopp, das sie bei ihrer Vereidigung im Jahr 1984 trug, wurde 2004 bei einer Benefizveranstaltung des Zürcher Sogar-Theaters versteigert. Geboten hat nur eine Person: die Vertreterin des Schweizerischen Landesmuseums. Für 250 Franken ist das Kleid seither in seinem Besitz. Für das Shooting hat das Landesmuseum das Kleid mit eigenen Mitarbeitern in unser Fotostudio transportiert und das Shooting beaufsichtigt. Sie haben das Kleid nur mit Handschuhen angefasst.»

2.

Elisabeth Kopp trägt bei ihrer Vereidigung im Jahr 1984 ein Kleid der Schweizer Marke Akris.

Screenshot: SF MySchool

3.

annabelle-Lifestyle-Redaktorin Barbara Loop: «Stan Wawrinka war sofort damit einverstanden, dass wir seine Gewinnershorts vom Roland-Garros-Turnier 2015 fotografieren. Er hat sie uns dann auch umgehend in die Redaktion geschickt. Leider hatten wir nicht bei allen Kleidungsstücken so viel Glück: Ursula Andress’ berühmtes James-Bond-Bikini konnten wir beispielsweise nicht ausfindig machen. Das wurde 2001 im Londoner Auktionshaus Christie’s für 98 700 Franken von Planet-Hollywood-CEO Robert Earl ersteigert – ob es noch heute in seinem Besitz ist, ist unklar.»

4.

Im Final des Roland-Garros-Turniers 2015 tritt Stan Wawrinka gegen Novak Djokovic an. Wawrinka gewinnt seinen zweiten Grand-Slam-Titel – vielleicht haben seine berühmten Shorts ihm Glück gebracht? 

Screenshot: Youtube

5.

annabelle-Lifestyle-Redaktorin Barbara Loop: «Ernst Fischer spricht im realen Leben genau wie in der Werbung: frei von der Leber weg. So erzählte er mir während unseres Telefonats zum Beispiel, dass die Fischer-Bettwaren-Fabrik einen neuen Werbespot produziert habe, diesmal mit einer Frau. Denn, so Ernst Fischer: «Frauen einbinden, das macht man jetzt ja so.»»

6.

Ernst Fischer und sein Kultkittel im Werbespot der Fischer-Bettwaren-Fabrik

Screenshot: Werbespot Fischer Bettwaren AG

7.

annabelle-Bildredaktor Martin Berz: «Paola Felix trug dieses Kleid am Grand Prix Eurovision de la Chanson im Jahr 1969. Heute befindet es sich im Besitz des Textilmuseums St. Gallen – wie übrigens auch das Hochzeitskleid und andere Outfits der Sängerin. Das Textilmuseum erlaubte uns, das Kleid zu fotografieren – die Verantwortlichen wollten aber, dass wir das im Museum in St. Gallen tun. Nach einigem Hin und Her durften wir das Kleid dann doch in unserem Zürcher Studio fotografieren. Davor mussten wir das Kleid allerdings versichern lassen. Und: Eine Textilrestauratorin des Museums hat das Kleid auf seinem Weg nach Zürich begleitet und es während des gesamten Shootings beaufsichtigt. Angefasst werden durfte es ebenfalls nur mit Handschuhen.»

8.

Paola Felix-Del Medico in ihrem Kleid am Grand Prix Eurovision de la Chanson im Jahr 1969. 

Screenshot: Youtube