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Der springende Punkt

Stil

Der springende Punkt

  • Redaktion: Barbara Loop; Foto: Getty Images

Alle tragen Punkte – annabelle-Redaktorin Barbara Loop fragt sich, warum der Polkadot ausgerechnet jetzt neu erfunden wird.

Mit Punkten lässt sich, pardon, derzeit gut punkten. Ob auf dem Runway (Jacquemus, Rodarte, Loewe) oder als Streetstyle (Veronika Heilbrunner, Leandra Medine): Polkadots schiessen grad wie die Fliegenpilze aus dem Boden. Gepunktete Kleider lassen die Herzen der einen im Zweivierteltakt hüpfen, wie einst die Polka, die dem Muster den Namen gab. Doch es gibt auch die anderen, die den Trend, einem lästigen Ohrwurm gleich, zu ignorieren suchen.

Während den Streifen des Bretonenshirts noch immer etwas von der Verwegenheit eines Matrosenlebens anhaftet, erinnern Polkadots an kecke Liebchen aus der feministischen Prähistorie. Annemarie Schwarzenbach trug Streifen, Miss America trug Punkte. 1928 zog Minnie Mouse ein getupftes Kleid an, und auch Christian Dior setzte auf Polkadots, als er nach dem Krieg den New Look erfand und die Frauen damit gemäss der «US-Vogue» «extravagant, romantisch, wimpernklimpernd weiblich» machte. Später zeigte sich Marilyn Monroe im Itsy-Bitsy-Polkadot-Bikini und inspirierte Lee Pockriss und Paul Vance zu einem Hit, der den Sommer 1959 leider überdauerte. Ach, und dann war da noch das gepunktete Kleid, in dem Pretty Woman nach der Rettung durch ihren Prinzen in der gehobenen Gesellschaft ankommt. Auch wenn die japanische Künstlerin Yayoi Kusama und das Label Comme des Garçons den Polkadots einen intellektuellen Anstrich gaben, bleibt das Muster dennoch dasselbe: Streifen sind gradlinig männlich, Punkte verspielt weiblich. Und welche Frau bezeichnet sich heute schon gern als verspielt weiblich? Miss America? Eben.

Warum also entdeckt die Mode ausgerechnet jetzt den Polkadot neu, wo feministische Statements – bei Dior etwa, gedruckt auf ein Streifenshirt – en vogue sind? Vielleicht ist der Polkadot das neue Millennialpink. Denn Pink war ja auch nur die Farbe von Barbies Wohnmobil, bevor der Feminismus die Barbie in uns allen akzeptierte und sich die Welt fortan rosa verfärbte. Kein Muster bringt die Ironisierung von Bedeutung, welche die Mode spielend beherrscht, so auf den Punkt wie das Muster mit dem Punkt.

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