annabelle-Redaktorin Barbara Loop über die Veränderungen in der Modeindustrie und warum diese ihrer Zeit mal wieder einen Schritt voraus ist.
Der neue Boss ist ein Mann! Ein Satz, so aussergewöhnlich wie Regen in London, sorgt gerade für eine kleine Sensation. Denn mit Edward Enninful wurde zum ersten Mal in ihrer über hundertjährigen Geschichte ein Mann Chefredaktor der britischen «Vogue». So etwas hat es bei der US-«Vogue» nie gegeben, und die französische «Vogue» wurde zuletzt in den Fünfzigerjahren, die «Vogue Italia» in den Achtzigern von einem Mann geführt. Bricht da etwa ausgerechnet während der grossen Feminismuswelle in der Mode die Bastion der stolzen «Vogue»-Chefinnen in sich zusammen? Muss die Neubesetzung als Rückschlag für feministische Anliegen gewertet werden?
Nein! Vielmehr hat die Mode bewiesen, dass sie ihrer Zeit mal wieder einen Schritt voraus ist. Denn in einer Welt, in der Männer und Frauen wirklich gleichberechtigt sind, treten Männer auch für Fraueninteressen ein. He for She oder E-man-cipation: So geht Feminismus 2017. Und ausserdem ist Enninfuls Ernennung ein Statement für mehr Diversität. Denn die Chefetagen der «Vogue» waren bis anhin weissen Frauen privilegierter Herkunft vorbehalten, der Mann aber ist schwarz, schwul, stammt aus einer ghanaischen Immigrantenfamilie und wuchs in einem Londoner Arbeiterviertel auf.
Alles gut also? Nicht ganz, denn es gibt noch einen entscheidenden Punkt, in dem die Personalie Enninful mit der Tradition der britischen «Vogue» bricht. Seine Vorgängerin Alexandra Shulman war eine profilierte und geachtete Journalistin, die das Magazin während 25 Jahren mit ihrer kritischen Haltung und ihrer Liebe für lange, gut recherchierte Features geprägt hat. Enninful hingegen hat sich als talentierter Stylist einen Namen gemacht. Droht da etwa eine Gewichtsverlagerung vom Wort hin zum Bild? Um diese Frage hier zu erörtern – I beg your pardon –, lässt das Bild zu wenig Platz.