Eine Kolumne schreiben, ohne von der EU zu reden? Ich habe es versucht, doch es ist unmöglich. Über die EU setzt sich niemand ungestraft hinweg. Sie ist immer am längeren Hebel, irgendwann schlägt sie zurück. Das war bei mir nun der Fall. Es geschah am helllichten Tag: Ich sitze in der Innerschweiz, in einem festlichen Stübli am Zugersee, als mit einer Zielstrebigkeit sondergleichen ein weltgewandt gelierter Vollbluteuropäer eintritt. Sein Englisch ist etwas overdressed.
Der Europäer entschuldigt sich an seinem Tisch für die Verspätung und schwadroniert dann über alles, was man in diesem entzückenden Lokal ganz und gar nicht hören will: was welche Kommission in Brüssel wann und wie entscheiden wird. Ich kann ihn nicht nachahmen, da ich verpflichtet bin, Punkt und Komma zu setzen. Vermutlich hat Brüssel ihn gesandt, um unser Steuerparadies Zug trockenzulegen. Nur spricht der EU-Mann davon leider gar nicht, sonst hätte ich nun einen Knüller.
Also wende ich mich lieber dem Essen zu, ohne mich weiter um Europa zu kümmern. Der Zugersee genügt mir. Ich habe Glück: Heute gibt es auf der Karte des «Sternen» in Walchwil den berühmten Rötel, ein äusserst aromatischer Seesaibling, den René Weder mit einer dezenten Safransauce zubereitet und mit Kürbis und Spinat serviert. Besser kann man Fisch kaum essen in der Schweiz. Es heisst, im Spätmittelalter habe man den Rötel sogar als Zahlungsmittel eingesetzt. Vielleicht müsste ich das dem Dauerredner am Nachbarstisch verklickern. Sollte der Euro vollends einbrechen, gäbe es immer noch eine sichere Währung: den Zuger Rötel.
Sternen
Dorfstrasse 1
6318 Walchwil
Tel. 041 759 04 44
www.sternen-walchwil.ch
Mi–So Mittagessen ab 11.30 Uhr, Nachtessen ab 18.30 Uhr
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