Schütt isst im Restaurant Kerala in Zürich
- Text: Julian SchüttIllustration: Bobi Bazoka
Inzwischen ist es schwierig geworden, Leute zu finden, die nicht regelmässig in einem Studio die Stellung des Hunds, der Kobra, Sphinx, Heuschrecke oder des Tischs einnehmen: Yoga wird im Westen bald eifriger betrieben als in Indien – und vor allem emsig kommerzialisiert: Es gibt Yogamessen und Blockbuster, und man muss nicht speziell erleuchtet sein, um vorauszusagen, dass schon bald überall auf öffentlichen Plätzen und Wiesen Matten ausgelegt und darauf in sich gekehrte Wesen im Lotussitz vor sich hin brüten werden. Natürlich bin auch ich seit Jahren ein Yogi. Muss ein echter Sadhaka (ein Übender) zwangsläufig Vegetarier sein? Der wohl bedeutendste moderne Lehrmeister B. K. S. Iyengar antwortete einmal darauf, zwar werde der Charakter und das Temperament des Menschen von seiner Ernährungsweise beeinflusst, aber wegen ihres Vegetarismus seien Tyrannen wie Hitler nicht weniger hasserfüllt, gewalttätig und wirrköpfig gewesen. Die vegetarische Küche macht einen folglich nicht zum besseren, höchstens zu einem leichteren Menschen.
Ein Yogi muss hingegen ein Faible für hochwertige indische Restaurants haben, von denen es in der Deutschschweiz leider viel zu wenige gibt. Zu den sympathischsten Indern in Zürich gehört das «Kerala». Immer muss ich an den Satz «La flamme nous force à imaginer» von Gaston Bachelard denken, wenn auf dem Tisch die Kerzen in den Wärmbehältern angezündet werden. Aber lange müssen wir uns das Essen nicht vorstellen, es kommt erstaunlich rasch auf den Tisch. Die Pfännlein enthalten Okra, Kichererbsen, Tomaten, asiatische Auberginen, Lamm und Poulet an kräftigen, aber keineswegs alles dominierenden Currysaucen, mit Malabarpfeffer und Chili zu guter Schärfe gebracht, die jedoch vor dem Halszäpfchen höflich Halt macht.
Anderntags fühlt man sich so wunderbar schwerelos wie eine Heuschrecke.
Restaurant Kerala
Hofwiesenstr. 188
8057 Zürich
Tel. 044 364 45 77
www.keralarestaurant.ch
So–Sa