Vor Kurzem wurde ich in einem schicken Restaurant an einen seltsamen Stehtisch gelotst und musste auf einen unbequemen Barhocker klettern. Ich empfand es als Strafe, mitten im Lokal wie auf einem Sockel ausgestellt zu sein. Doch die Serviceangestellte verstand meinen vorwurfsvollen Blick nicht. Erst jetzt habe ich erfahren, dass es eine Auszeichnung war, dort zu sitzen. Ein gastronomisch gewandter Kollege klärte mich auf, in Paris oder Mailand gebe es kaum noch ein Kultrestaurant, das auf die sogenannten Hochtische verzichtet. Nun haben sie auch die Schweiz erreicht. Sind sie wirklich ein Gewinn? Schmeckt das schottische Hochlandrind an einem Hochtisch anders?
Vermutlich wollen die nichts weiter sein als ein sanfter Protest gegen die herkömmliche manierliche Tischordnung. Man fühlt sich nicht wie im Edelrestaurant, sondern wie beim vertrauten Stehimbiss, sitzt besonders krumm, kann fast nicht anders, als die Ellbogen proletenhaft aufzustützen. Die benachbarten Spiesser an den Niederflurtischen müssen einem direkt auf die
unappetitlichen Turnschuhe und die nervös wippenden Beine schauen. Dennoch attestieren die Trendmagazine der Hochtisch-Avantgarde ultimatives Stilempfinden.
Bei der Tischfrage bin ich gern ein Reaktionär und also glücklich, im Zürcher Restaurant Cafe Boy nicht an den Hochtisch gesetzt zu werden. Ich geniesse die Knusperli vom Zürichsee-Felchen auf einem Salat mit Mango, Papaya, Gurke und einer schönen Schärfe (18 Fr.). Ausgezeichnet dann der Loup de mer (40 Fr.); die Kombination Fisch und Kartoffelstock ist allerdings eine etwas trockene Angelegenheit, daran ändern auch die Peperonata und die Salsa verde nichts. Gegen die Trockenheit hilft einer der vielen wunderbaren Weine im Cafe Boy: Cesconis Merlot Pivier (75 Fr.) aus dem Trentino.
Restaurant Cafe Boy
Kochstrasse 2
8004 Zürich
Tel. 044 240 40 24
www.cafeboy.ch
mittags, Samstag und Sonntag geschlossen