Die Frage, die mir als Esskolumnist am häufigsten gestellt wird, lautet: Was ist für Sie die schlimmste kulinarische Mode? Ich habe darauf immer nur mit einem einzigen Wort geantwortet, das mir schon klanglich ekelerregend genug zu sein schien: Brunchen. Da denke ich an Tische, die stundenlang nicht abgeräumt werden, an übel riechende Teller mit Eierspeisen- oder Lachsresten, und vor allem denke ich an Klebriges, an Konfitürenschlieren. Ich habe eine Klebrigkeitsphobie und möchte gar nicht genauer aufarbeiten, wie es dazu kam. Jedenfalls fragte mich noch nie jemand zweimal, ob ich brunchen komme. Zu abschreckend mussten meine Antwort und mein Gesichtsausdruck bereits beim ersten Fragen sein.
Und doch bin ich an einem Sonntag in ein berüchtigtes Brunch-Lokal geraten, ins «Maison Blunt» im Zürcher Kreis 5. Man hat es mir allerdings nicht als solches vorgestellt, sondern als feines marokkanisches Restaurant. Zweifel kamen mir erst, als ich eintrat und auf jedem Tisch ein Honigglas bemerkte – sogleich löste das bei mir Brunch-Alarm aus. Doch zu spät: Der flinke deutsche Kellner hatte mir schon die Speisekarte in die Hand gedrückt. «Frühstück bis 16 Uhr» las ich und dachte: Jetzt nur nicht durchdrehen.
Das schön gestaltete Haus war rappelvoll, sehr jung gebliebenes Publikum. Dann stiess ich tatsächlich auf südländische und orientalische Spezialitäten, auf gefüllte Weinblätter, Couscous-Salat, Falafel, Hummus, Halloumi, also frittierten Schaf-Ziegen-Käse, auf Auberginen mit Kichererbsen und Tomaten, auf Poulet im Bulgurteig und so weiter. Alles auf der Mezze-Platte war nicht spektakulär, aber sorgfältig und bekömmlich zubereitet. Und der Minzetee war ausgezeichnet. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich zum Bruncher geworden bin, wenigstens an diesem einen Sonntag im «Maison Blunt».
Maison Blunt
Gasometerstrasse 5
8005 Zürich
Tel. 043 211 00 33
www.maison-blunt.ch
