Sportautos fand Junior Editor Leandra Nef doof und unnötig. Trotzdem setzte sie sich in den Porsche 911 GT2 RS – und hatte Spass.
Liebhaber schneller, protziger Autos sind mir suspekt. Das Geräusch aufheulender Turbomotoren assoziiere ich mit Prolo-Gehabe, Leasingverträgen und Minderwertigkeitskomplexen. Fährt ein Sportwagen an mir vorbei, schaue ich demonstrativ in die andere Richtung. Der Lenker soll auf keinen Fall denken, dass mich beeindrucke, was er da fährt. Selber eine solche Karre fahren? Undenkbar.
Da es sich jedoch lohnt, seine Vorurteile von Zeit zu Zeit grundsätzlich zu überdenken, nehme ich diese annabelle-Spezialausgabe zum Anlass, mein selbstauferlegtes Tabu zu brechen. Ich steige von meinem Fiat 500 in einen Porsche um. Nicht in irgendeinen. In den GT2 RS. Den stärksten und schnellsten 911er, der je für die Strasse zugelassen worden ist. 700 PS, 340 Stundenkilometer Spitze, von 0 auf 100 in 2.8 Sekunden. Ausverkauft, bereits wenige Tage nach der Weltpremiere im Sommer 2017. Und das trotz seines stolzen Preises: 422 300 Franken kostet das Exemplar, das ich fahren darf. Vorsichtshalber checke ich die Höhe des Selbstbehalts, den ich im Falle eines Totalschadens berappen müsste.
Zugegeben: Wenn man vor ihm steht, macht der GT2 ganz schön Eindruck. Nicht unbedingt der Masse wegen – 4.55 Meter lang, 1.98 Meter breit, da sind Kombis oft länger und kaum schmaler –, aber wegen seiner Optik. Da verstehe sogar ich, warum manche Menschen Autos sinnlich finden: breite Hüften, schnittiger Bugteil, die ästhetischsten Lufteinlässe, die ich je gesehen habe. (Wobei bezweifelt werden darf, dass ich jemals zuvor auf Lufteinlässe bei Autos geachtet habe.)
Ein Blick in den Innenraum erinnert mich daran, dass es sich bei diesem Auto nur sekundär um ein aerodynamisch perfektioniertes Sammlerobjekt handelt. Primär steht da mal eine Rennmaschine der Superlative. Der Überrollkäfig hinter den Vordersitzen lässt mich leer schlucken. Auch der Feuerlöscher im Fussraum des Beifahrers ist eher beunruhigend. Das Einsteigen? Nicht sehr komfortabel. Doch einmal angesogen von den Vollschalensitzen, sind die Unannehmlichkeiten schnell vergessen. Ich bestaune das Interieur: dunkelgraues Alcantara, schwarzes Leder, Elemente aus Sichtcarbon. Zwölf Bose-Lautsprecher für Surround-Sound. Öffnerschlaufen statt Türgriffe. Jedes Detail stimmt.
Ehrfürchtig drehe ich den Zündschlüssel, ungestüm antwortet der 3.8-Liter-Boxermotor. Der Porsche 911 GT2 RS – also wild und unberechenbar? Überhaupt nicht. Das Coupé lässt sich zuverlässiger bewegen als jedes Auto, das ich bisher gefahren bin. Wie? Für kurvige Strecken erklärt Porsche das so: Ein speziell entwickeltes System bremst gezielt das kurveninnere Hinterrad, erhöht damit den Antrieb des kurvenäusseren Rads, was schliesslich zu mehr Kurvendynamik und Fahrstabilität führt. Übersetzt heisst es: Wir kleben auf dem Asphalt.
Nachdem ich auf der Autobahn an allen vorbeiziehe – einmal den Auspuffknopf drücken, das Grollen des Motors zum Gewitter anschwellen lassen, und schon räumen notorische Linksfahrer die Überholspur –, gebe ich mir beim Einfahren ins Quartier grösste Mühe, keine Nachbarn zu erschrecken.
Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Aber der 911 GT2 RS hat sogar mich angefixt. Wenn ich das nächste Mal in meinem Cinquecento durch die Stadt tuckere und an einer roten Ampel neben einem Sportwagen zu stehen komme – ich werde seiner Fahrerin das anerkennende Kopfnicken einer Verbündeten schenken.
Modell: Porsche 911 GT2 RS
Motor: 6-Zylinder-Boxermotor mit Biturbo-Aufladung
Fahrleistung: 515 kW/700 PS
Höchstgeschwindigkeit: 340 km/h
Masse: Länge 4.55 m, Breite 1.98 m, Höhe 1.3 m
Leergewicht: 1470 kg
Kofferraumvolumen: 115 l
Benzinverbrauch: innerorts: 18.1 l/ 100 km, ausserorts: 8.2 l/100 km
CO2-Emission: 269 g/km
Energieeffizienz: G
Preis: ab 370 900 Franken, Testmodell 422 300 Franken
Infos: porsche.ch