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Rosemary McGrotha

Stil

Rosemary McGrotha

  • Text: Lars Jensen

“Ich liebte dieses Leben”

Vor einem Jahr fand Rosemary McGrotha einen handgeschriebenen Brief aus Paris in ihrer Post. Eine Anfrage des Modelagenten Rafael Santien, der ihr 1977 die ersten Aufträge besorgt hatte. Ihre Karriere und Millionen von Dollars – ihre gesamte gut gelaunte Existenz – verdankt McGrotha dem Weitblick des Monsieur Santien. Er unterstützte sie, obwohl sie mit breiten Hüften und üppigem Busen nicht die klassischen Masse eines Supermodels besass. Kurz nachdem sie Santien begegnet war, produzierte sie Titelgeschichten für angesehene Modemagazine in aller Welt. Helmut Newton erkor sie zu seinem Lieblingsmodel.

In seinem Brief fragte Rafael Santien, ob Rosemary McGrotha noch immer Modell stehen würde; ob sie Lust hätte, für einen wohl dotierten Job das Flugzeug nach Paris zu besteigen. Seit der Geburt ihres Sohnes vor 14 Jahren hatte McGrotha alle Angebote abgelehnt. «Wir mussten uns um wichtigere Dinge kümmern. Zum Beispiel, mein Kind zum Fussball zu bringen.» Doch als Santien anfragte, dachte sie: Warum nicht? Nun arbeitet Rosemary McGrotha wieder als Model, fliegt mehrmals im Monat aus ihrer Heimat Tallahassee, Florida, nach New York, Los Angeles oder London – wo immer ihr zeitloses Gesicht mit den stechend blauen Augen gefragt ist. Im November wird McGrotha ihren 52. Geburtstag feiern.
Als Teenager hatte sie eine Freundin, deren Traum es war, Model zu werden. Also stellten die beiden sich in den Fotostudios von Tallahassee vor. «Ich war immer das Mädchen, das schweigend im Hintergrund stand», sagt sie.

Doch entdeckt wurde nicht ihre Freundin, sondern sie selbst. Ein Fotograf schickte McGrotha zu seinem Freund in Atlanta, der sie an einen Bekannten in Paris verwies. Dort traf sie Rafael Santien. «Plötzlich stand ich vor den Kameras von Irving Penn und Richard Avedon und flog um die Welt», sagt McGrotha. «Ich liebte dieses Leben.» Die ersten Zweifel kamen ihr Mitte der Neunzigerjahre. Ob es vielleicht doch sinnvollere Beschäftigungen gibt, als sich fotografieren zu lassen? 1996 hatten sich Rosemary McGrotha und Donna Karan geeinigt, den lukrativen Exklusivvertrag um fünf Jahre zu verlängern. Doch etwas kam dazwischen. «Mein Arzt hatte mir mitgeteilt, dass ich schwanger war. Da entschied ich von einer Sekunde zur nächsten: Jetzt ist Schluss. Das war wie eine Vollbremsung.» Sie kaufte ein Haus in Tallahassee für ihre Familie, setzte sich mit dem Baby in die Hollywoodschaukel und nahm das Telefon nicht mehr ab. Rosemary McGrotha sagt, sie habe das Modeln nicht einen Moment lang vermisst. Erst seit ihr Sohn seinen eigenen Weg geht, sei ihr langweilig in der Hollywoodschaukel. Zeit, den Hörer mal wieder abzuheben.

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