Restaurant-Test: Julian Schütt isst im Restaurant Widder in Zürich

Im «Widder» verlieren selbst erfahrene Gourmetkritiker leicht den Überblick: Die Gäste scheinen das Restaurant des Fünfsternehotels am Zürcher Rennweg länger auszuhalten als die Köche. Auch ich habe schon öfter zu einer Würdigung des fantastischen Orts angesetzt, aber kaum war ich warmgeschrieben, wurde bereits wieder ein neuer Chefkoch gemeldet. Seit März ist es der weit gereiste Schweizer Dietmar Sawyere, und ich bete, dass er noch an Bord ist, wenn diese Kolumne erscheint. Seine sorgfältige und ideenreiche Küche sorgt für eine hervorragende Stimmung.

Wir kommen mit einem Dandy aus Oslo in orangefarbenen Socken ins Gespräch und erhalten wertvolle Genusstipps. Der Dandy entpuppt sich als Intimus des norwegischen Königshauses. Von Harald V. persönlich habe er gelernt, dass man eine Zigarre umgekehrt anzünden müsse, damit man die Etikette lesen kann und immer sieht, was man raucht. Ich bin restlos überzeugt.

Noch überzeugter bin ich allerdings von Dietmar Sawyeres Kreationen, an denen gar nichts verkehrt ist. Man sieht auch immer, was man isst. Schnörkellos grilliert und innen fleischig sind die Jakobsmuscheln, die Sawyere mit einer ausgezeichneten Gänseleber kombiniert. Dazu gibt es Blumenkohlmousse und eine Apfelreduktion. Im Hauptgang bekomme ich leider einige Sekunden zu kurz gebratene Wachtelbrüstchen, wiederum in origineller Kombination mit etwas weich geratenen Flusskrebsen. In der Beilage Spinat, Eierschwämmli und Kartoffeln. Ein Menü, nicht zu finessenreich, um es auch draussen im einzigartigen Altstadtgarten des «Widders» zu geniessen.

Übrigens zieht es nicht nur Paradiesvögel und schicke Geschäftsleute hierher, sondern auch junge Rucksacktouristen, die vom Sneakers tragenden Servicepersonal genauso aufmerksam bedient werden. Nirgends ist Zürich an Sommerabenden relaxter, schicker, schöner, norwegischer.

— Restaurant Widder, Widdergasse 6, 8001 Zürich, Tel. 044 224 24 11