Restaurant-Test: Julian Schütt isst im Restaurant Hirschen in Lenzburg AG

Seit Jahren stellt der US-Gastrojournalist Michael Pollan Regeln für gute Ernährung auf. Im Wesentlichen läuft alles hinaus auf den goldenen Grundsatz: «Essen Sie nichts, was Ihre Grossmutter nicht als Essen erkannt hätte!» Dies ist zugleich der Titel von Pollans Bestseller, der nun in schöner neuer Aufmachung im Kunstmann-Verlag München erschienen ist.

Zu Grossmutters Zeiten hatte man allerdings dasselbe schon behauptet, nur in weniger salbungsvollen Worten und weniger positiv gestimmt: «Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!» Pollans Büchlein wendet sich an die Happy Few, die weniger essen, aber mehr zahlen wollen und mit dem Einkaufskorb auf den Markt gehen, viel biologisches Grünzeug kaufen und Getreide, das mit der althergebrachten Steinmühle verarbeitet wurde.

Gemütliche Gaststube im Hirschen

Alles recht und gut, nur etwas bieder. Und damit genug der grauen Theorie: Ich ziehe mich in eine grossmütterlich anmutende Gaststube zurück, jene des «Hirschen» in Lenzburg. Dort fühle ich mich sofort aufgehoben, rundherum werden Damenkränzchen abgehalten. Viele Gäste kennen die herzliche Gastgeberin Rosmarie Roth persönlich. Ich steige ein mit einem Salat, bei dem zwei Drittel der Schweizer Grosis die Nase rümpfen würden, denn er ist mit Riesencrevetten garniert, und sie geben ihm Klasse.

Pollan meint: «Meiden Sie Speisen, die mehr als fünf Zutaten enthalten!» Da muss nun jede Grossmutter schmunzeln, und auch ich kann nicht anders, als ich den Kalbshackbraten an Blauburgundersauce mit Kartoffelstock vor mir sehe. Er ist mit Kräutern rassig gespickt und schmeckt vorzüglich. Ein grossmütterlicheres Menü kann es an sich gar nicht geben, aber die Oma, die Hackbraten mit fünf oder weniger Zutaten zubereiten kann, muss wohl erst noch geboren werden.

Hirschen
Rathausgasse 41
5600 Lenzburg
Tel. 062 891 20 19
www.hirschen-lenzburg.ch