Bäume haben Sex – oder zumindest so ähnlich: Ein lustvoller Ausflug auf den Zürcher Uetliberg.
Freitagmittag, Bahnhof Zürich-Selnau. Auf dem Perron tausche ich meine Sneakers gegen Gummistiefel und sprühe mich mit Mückenspray ein. Meine Mission: ein Streifzug durch den Wald auf dem Zürcher Hausberg. Keine fünf Minuten sitze ich in der Bahn, schon weichen die vorbeiziehenden Häuser Wiesen und Bäumen. Bei der Bahnstation Uetliberg treffe ich die ETH-Biologin Diana Soldo. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Städtern und Naturliebhabern die Welt des Walds «auf lustvolle Weise» näherzubringen – und so ist die Lust denn auch das erste Thema der Exkursion. Erstaunlich, aber wahr: Viele Bäume haben Sex. Oder, genauer, vermehren sich durch sexuelle Fortpflanzung. Die Blüten besitzen Eizellen, die vom männlichen Blütenstaub befruchtet werden. Wenn etwa die Buche, ein Zwitterbaum, mit fünfzig Jahren geschlechtsreif wird, entstehen durch die Befruchtung ihrer Blüten Millionen von Samen. Im Schnitt gelingt es nur einem einzigen Sprössling, zu einer geschlechtsreifen Buche heranzuwachsen – die Konkurrenz betreffend Licht, Boden und Wasser ist zu gross.
Weiter erfahre ich, dass in einem Löffel Waldboden mehr Organismen als Menschen auf der Welt leben. Es gibt unterirdische Pilzkolonien, die sich über viele Quadratkilometer ausbreiten und die Pflanzen des Walds miteinander vernetzen. Wälder bilden eine Lebensgemeinschaft für mehrere Zehntausend Arten.
Der Zürcher Prime Tower hat sich inzwischen hinter dichten Blättern unseren Blicken entzogen. Orchideen und Lilien entlang des Wegs, nichts verrät mehr die Nähe zur grössten Schweizer Stadt, die zu unseren Füssen liegt. Ich setze mich auf einen Baumstrunk und verliere mich in eine andere Welt. Der tiefe Seufzer eines Schiffshorns weht vom Zürichsee herauf. Alles ist entschleunigt, ich lausche dem Zwitschern der Vögel, höre die Äste knacken, sehe den Käfern zwischen den Halmen zu. Kein Wunder, dass Waldbaden in Japan eine anerkannte Therapieform gegen Stress ist.
Auf dem Rückweg sammelt Diana Soldo Brennnesseln, Teufelskrallen und Kohldisteln. Sie wird sie später blanchieren und mit etwas Zwiebeln in Öl andünsten. Feines Gericht, sagt sie. Schön entspannt, denke ich.
Tipps
Sehen
Weitsicht: 871 Meter über Meer liegt Uto Kulm, der Gipfel des Uetlibergs. Von dort sieht man über Zürich, den See und das Limmattal. Bei Klarsicht kann man sogar Eiger, Mönch und Jungfrau entdecken.
Wanderung: Knapp zwei Stunden dauert der Marsch von der Bahnstation Uetliberg bis zur Felsenegg, die Wanderern einen Blick auf den Zürichsee und das Alpenpanorama bietet. Von der Felsenegg gondelt eine Luftseilbahn nach Adliswil hinunter, von dort bringt einen die Sihltalbahn zurück nach Zürich.
Waldexkursion: Die Biologin Diana Soldo führt Exkursionen auf dem Uetliberg und in anderen Schweizer Wäldern durch. Für Einzelpersonen oder Gruppen.
waldexkursionen.ch
Essen
Jurablick: Hier gibt es von Freitag bis Sonntag einfache Gerichte zu einem fairen Preis. Ab Bahnstation Uetliberg in zwanzig Minuten zu Fuss erreichbar. Und ja: Man sieht ihn, den Aargauer Jura!
Uetliberg, Uitikon, Fr/Sa 9–24 Uhr, So 9–18 Uhr, Tel. 079 719 15 94
jurablick.com
Wirtschaft Ziegelhütte: Zwar liegt die «Ziegelhütte » am nördlichen Fuss des Zürichbergs, aber die Köche verfeinern ihre Spezialitäten mit Kräutern und Pflanzen, welche Diana Soldo auf ihren Exkursionen in den Uetlibergwald gesammelt hat.
Hüttenkopfstrasse 70, Zürich-Schwamendingen, Tel. 044 322 40 03
wirtschaft-ziegelhuette.ch
Binz & Kunz: An der Strecke der Uetlibergbahn liegt das aufstrebende Zürcher Binz- Quartier. Im Restaurant «Binz & Kunz» wird leckeres libanesisches Essen in urbaner Gartenatmosphäre angeboten.
Räffelstrasse 17, Zürich, So geschlossen
binzundkunz.ch
Info
Buch: Der Historiker und Journalist Stefan Schneiter kennt den Uetliberg seit seiner Kindheit. Sein Buch mit 260 Bildern, Geschichten und Anekdoten macht Lust, den Uetliberg selber zu erkunden.
Stefan Schneiter: Der Uetliberg. Verlag Hier und jetzt, Baden 2011, 184 Seiten, 39 Franken
Anreise: Zu Fuss oder mit der SZU (Sihltal-Zürich- Uetliberg-Bahn) ab Hauptbahnhof Zürich.
szu.ch
1.
Lustvoll: Biologin Diana Soldo klärt über das sexuelle Verhalten der Buche auf
2.
Am Wegrand entdeckt: die Kohldistel. Man kann sie blanchieren und als Beilage servieren oder roh zum Smoothie verarbeiten.