Pristina ist die wohl hässlichste Hauptstadt Europas. Weshalb also dorthin reisen? Weil ihr herber Charme fesselt.
Wer sich lieber in ein lautes Lokal setzt als in eine gotische Kirche, sollte eine Reise nach Kosovo antreten. Pristina ist die vielleicht hässlichste, dafür aber wildeste Hauptstadt Europas. Sämtliche Cafés in der Fussgängerzone sind voll besetzt. Kinder drehen in grellen Plastikautos ihre Runden, ihre Väter schauen rauchend zu und amüsieren sich dabei. Händler verkaufen lauter Zeugs, das blinkt und hupt. Touristenströme wie in Barcelona gibt es in Pristina keine. Die meist jungen Leute, die hier die Restaurants bevölkern, sind Einheimische oder Ausland-Kosovaren auf Verwandtenbesuch. Serviert werden deftig gute Gerichte mit einem orientalischen Einschlag und ein Espresso macchiato, der häufig besser schmeckt als in Italien. Es mag erstaunen, aber die Kosovaren verstehen wirklich was von Kaffee. Die meisten sind moderate Muslime, nur wenige Frauen tragen ein Kopftuch. Auch dem Alkohol sind sie nicht abgeneigt und dem Feiern erst recht nicht. Als Schweizerin wird man besonders herzlich willkommen geheissen. Denn fast jeder hat eine Cousine in St. Gallen oder eine Tante in Allschwil und spricht ein paar Brocken Deutsch. Zwischen der Schweiz und Kosovo gibt es seit den Siebzigerjahren eine enge Beziehung – davon zeugen auch die ausrangierten Schweizer Postautos, die hier als Linienbusse unterwegs sind. Das Zentrum von Pristina ist klein, man kann es zu Fuss erkunden. Die Häuser sind scheinbar ohne Konzept irgendwo hingestellt und nach dem Krieg aus den billigsten Materialien aufgebaut worden, an den Strassenrändern sammelt sich der Abfall, und die elektrischen Leitungen spannen sich wie Spinnennetze über die Stadt. Es gibt ein paar alte Moscheen und ein wunderschönes ethnologisches Museum in einem verwunschenen Garten, aber ansonsten hat Pristina keine klassischen Sehenswürdigkeiten. Das interessanteste Gebäude ist die Nationalbibliothek. Fertig wurde es 1981 und spaltet seither die Gemüter. Das Dach besteht aus 99 Glaskuppeln, die an die traditionellen albanischen Käppchen erinnern oder an wuchernden Schimmelpilz – je nach Auslegung. Nein, pittoresk ist Pristina nicht, aber fesselnd.
Tipps
ESSEN UND TRINKEN
Liburnia
Wem es dann doch irgendwann zu laut wird, der biegt in eine Seitenstrasse ein und setzt sich in den üppig bepflanzten und hübsch dekorierten Innenhof des «Liburnia». Wie jedes gute Restaurant in Kosovo hat auch dieses einen Holzofen, aus dem wunderbare Gerichte in gusseisernen Schalen gezaubert werden. Auch Vegis werden in Pristina satt, es wird mit viel frischem Gemüse, Kräutern und orientalischen Gewürzen gekocht. Und mit reichlich Knoblauch. Ein Hauptgang kostet weniger als zehn Franken.
– Meto Bajraktari, Tel. 00381 44 89 10 00
Tiffany
Etwas gehobener als das «Liburnia», aber für Schweizer Verhältnisse immer noch sehr günstig. Wir essen zartes Kalbfleisch an Ei und Joghurt, frischen Salat und warmes Pitabrot aus dem Holzofen.
– Fehmi Agani, Tel. 00381 38 24 40 40
Auf dem Markt hinter der Sultan-Fatih-Moschee werden einheimische Beeren und Nüsse verkauft und Honig in Waben. Aber auch allerlei synthetische Kleider mit Doppeladler-Motiv.
SCHLAFEN
Begolli
Das Hotel liegt im Zentrum in einer ruhigen Seitenstrasse, hat saubere und grosszügige Zimmer und freundliches Personal.
– Maliq Pashë Gjinolli 8, hotelbegolli.com, DZ inkl. Frühstück ca. 60 Franken
AUSFLÜGE
Kosovo ist bekannt für Gebirgswanderungen. Besonders schön ist das Rugova-Tal. Prizren liegt sechzig Kilometer südlich von Pristina und ist der Gegenentwurf zur Hauptstadt: lauschig, mit historischem Kern und osmanischer Architektur.
ANREISE
Mit Swiss ab Zürich oder mit Easyjet ab Basel.
1.
Ausgezeichneter Kaffee, …
2.
… volle Restaurants und …
3.
… eine Nationalbibliothek, die die Gemüter spaltet: Pristina ist laut und lebendig.
4.
Ruhig essen: Im «Liburnia» – und auch im «Tiffany» – ist nicht nur das Pitabrot sehr gut.