Planet Görliwood: Postkarte aus Görlitz
- Text: Olaf Tarmas; Bild: Getty Images
Wie ein ostdeutsches Städtchen zum Filmstar wurde: Ein kleiner Walk of Fame durch Görlitz.
«George Clooney! Kate Winslet! Jude Law! Waren alle schon hier!», flüstert die Stimme. Ich halte mein Ohr in etwas verrenkter Haltung ans eine Ende eines 500 Jahre alten Torbogens am Görlitzer Untermarkt (4). Seine gotische Verzierung wurde so angelegt, dass sie auch leiseste Gespräche überträgt; im ausgehenden Mittelalter war es der Marktklatsch – doch heute, wo sich die pittoreske Bilderbuchstadt an der Neisse zur gefragten Kulisse internationaler Filmproduktionen gemausert hat, tuschelt man lieber über die Filmstars, die sich gerade vor Ort aufhalten: «Moritz Bleibtreu, Emily Watson, Ralph Fiennes …» Zuletzt wurde hier «Jeder stirbt für sich allein» mit Daniel Brühl und Emma Thompson gedreht, der nächstes Jahr ins Kino kommt.
Die flüsternde junge Frau auf der gegenüberliegenden Seite des Torbogens ist Lisa Helmers. Sie hat schon etliche Görliwood-Grössen bedient, als sie noch im Café Flüsterbogen neben dem Tor jobbte. Während der Dreharbeiten zu «The Grand Budapest Hotel» war das Café eine Art Pausenraum der Stars, die sich unter die Gäste mischten. «Das ist das Lustige an Görliwood – es bleibt auch mitten im Trubel eine ganz normale Kleinstadt», sagt Lisa Helmers. Nur eben etwas hübscher als normal: Stuckverzierte Erker und Renaissance-Treppengiebel, schlanke Türme und lauschige Arkaden – ein Spaziergang durch die Gassen und über die Plätze der historischen Stadtkulisse im östlichsten Zipfel Deutschlands kommt einer Zeitreise gleich, so ungestört von jeglichen Bausünden präsentiert sich der Altstadtkern. Womit nichts gegen den modernen Teil der Stadt gesagt sei: Dort findet sich etwa das Görlitzer Warenhaus, ein prächtiger Art-déco-Palast, den Regisseur Wes Anderson für sein «Grand Budapest Hotel» nutzte. Aber auch die nähere Umgebung ist durchaus filmreif: Eine Velotour ins benachbarte Bad Muskau führt zum Schloss des exzentrischen Fürsten Pückler-Muskau mitsamt idylli–schem Landschaftspark: ein Unesco-Weltkulturerbe. Oder man begibt sich in das knuffige Zittauer Gebirge, dessen knollenartige Erhebungen Namen wie Krumme Tante und Brütende Henne tragen. Es kann eigentlich nicht mehr lange dauern, bis ein Filmregisseur auch diese Kulisse entdeckt.
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Die besten Tipps
ÜBERNACHTEN
Grosses Kino: Das in alten Gemäuern neu eröffnete Emmerich Hotel glänzt mit seinem eleganten Stilmix aus historischen Möbeln und Sixties-Klassikern. Und dadurch, dass sich Jackie Chan aus einem der Zimmer abseilte («In 80 Tagen um die Welt», 2004).
— Untermarkt 1, Tel. 0049 35 81 87 86 64, www.emmerich-hotel.net, DZ ab ca. 100 Franken
Wer eine Ferienwohnung im historischen Hallenhaus am Untermarkt 3 mietet, hat den schönsten Blick auf die Stadt.
— Tel. 0049 35 81 73 02 02, www.aus-zeit-in-goerlitz.de, Wohnung für 2 P. ab ca. 60 Fr./Nacht
ESSEN
Am östlichen Ufer der Lausitzer Neisse liegt im polnischen Teil namens Zgorzelec das vielleicht schönste Restaurant der Stadt, das «Piwnica Staromiejska». Hier, am Ende der Altstadtbrücke isst man leckere Pierogi. Und trinkt dazu ein kräftiges polnisches Bier.
— Ul. Wrocławska 1
Das idyllische Café CaRe im Dorf Königshain wird von einer besonderen jungen Konditorin geführt: Anemone Müller-Grossmann kreierte die exzentrischen Mendl-Gebäckstücke für «The Grand Budapest Hotel».
— Dorfstrasse 134, www.cafecare.de
FÜHRUNGEN
Welche Stars haben wann wo welche Filme gedreht? Die «Film ab!»-Stadtführung verrät es.
— Infos & Anmeldung: Tel. 0049 35 81 47 570, www.goerlitz.de/de/tourismus
AUSFLÜGE
Schloss Pückler und der Muskauer Park lassen sich von Görlitz aus gut mit Bahn und Velo erreichen: Regionalzug bis nach Weisswasser, danach rund 10 Kilometer bis Bad Muskau.
— Tel. 0049 35 77 16 31 00, www.muskauer-park.de
Wander- und Kletterrouten im Zittauer Gebirge
— www.das-outdoor- land.de
ANFAHRT
Am originellsten ist die Fahrt nach Görlitz mit der Schmalspurdampfbahn vom 30 Kilometer entfernten Zittau aus bis nach Bad Jonsdorf oder Oybin.
— www.soeg-zittau.de
Direktflug mit Swiss von Zürich nach Dresden oder Berlin. Mit der Bahn von Dresden in ca. einer, von Berlin in ca. drei Stunden.
INFOS
1.
Ein Unesco-Weltkulturerbe: Das Schloss des exzentrischen Fürsten Pückler-Muskau mitsamt idyllischem Landschaftspark
2.
Prächtiger Art-déco-Palast: Das Görlitzer Warenhaus
3.
Der Görlitzer Untermarkt
4.
Anemone Müller-Grossmann führt das Café CaRe
5.
Im «Piwnica Staromiejska» können Sie leckere Pierogi essen
6.
Kunstvoll aufgetischt! Geschirr aus Bunzlauer Keramik: Die berühmte Manufaktur liegt im polnischen Boleslawiec nahe bei Görlitz
— www.ceramicboleslawiec.com.pl