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Over? Nie! Warum Overknee-Stiefel immer gehen

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Over? Nie! Warum Overknee-Stiefel immer gehen

Draussen wirds kälter, am Bein wirds heisser. Alle tragen Overknees – auf dem Runway wie auf der Strasse. Wie ein hoher Schaft Freiheit schafft.

Der Oberschenkel ist ein heikles Körperteil. Ein fleischiger Pfad zum Geschlecht, ein muskulöser Wegweiser zum Glück. Dass ein Accessoire, das ebendiesen ins Scheinwerferlicht rückt, sein natürliches Habitat im horizontalen Gewerbe hat, ist also kaum verwunderlich.

Stiefel, die bis übers Knie reichen und so in Kombination mit einem kurzen Jupe oder einem winzigen Höschen lüstern ein Stück Schenkel freilegen, stöckeln an Domina-Beine geschnürt durch Puffs und stossen unterwürfige Männer mit Schuhfetisch zu Boden. Die märchenhafte Hollywood-Version der Sex-Boots trug 1990 Schauspielerin Julia Roberts im Film «Pretty Woman» – als Sexarbeiterin.

Es ist nicht zu übersehen, wir sind den Overknee-Stiefeln gegenüber offener geworden. Für die aktuelle Saison sah man sie auf dem Laufsteg von Stella McCartney als schlauchartige Verlängerung von Loafers. Bei Fendi trug man sie zu engen Mini-Kleidern, bei Bally traf die Schnürvariante auf dicken Strick und schrie so eher sexy Wanderschuh als hikendes Sextoy.

Bei Chloé brachte die neue Kreativdirektorin Chemena Kamali den Boho-Chic der 2000er zurück, also flatterten mehrheitlich zarte Hippie-Kleider um die Stiefel, die aussahen, als seien sie schon Meilen galoppiert. Viel nackte Haut sah man da gar nicht, zumal der Saum meist in einem Stiefelschaft steckte.

Dieser Styling-Hack verhindert einerseits, über den wehenden Stoff zu stolpern, und andererseits, zu vergessen, welch Höllengerät sich da ans Bein schmiegt. Eins, unter das man herrlich warme Wollsocken ziehen kann. Eins, das durch sein robustes Leder besser wärmt als jede Jeans. Eins, das auch einfach als Hose mit Absatz durchgehen könnte.

Und exakt das waren Overknees früher auch. Im 15. Jahrhundert konnten Stiefel nicht hoch genug reichen, um die Innenseiten der Unter- und Oberschenkel von Reitern zu schützen. Die kinky Boots wurden also in ihrer Urform nur von den Herren der Schöpfung ausgeführt. Frauen sah man damit erst ab dem frühen 20. Jahrhundert – wenn sie sich als Mann verkleideten, um auf der Bühne möglichst tollkühn zu wirken.

So fanden die Overknees ihren glorreichen Weg in Varietés – und die Puffs. Als in den Sixties die Jupes schrumpften, ein komplett nacktes Bein aber zu sexy für zarte Gemüter gewesen wäre, versuchte man es mit Schadensbegrenzung und entwarf extrahohe Stiefel, die verbergen sollten, was der Jupe offenlegte. Brachte rein gar nix: Hot sah das dennoch aus.

Frage: Warum muss man als Frau eigentlich immer irgendwas kaschieren? Dellen am Oberschenkel, das Bäuchlein, wie alt man tatsächlich ist oder dass man sich auch Ü40 noch ganz gut findet. Für sexy Overknees ist man nämlich schnell zu alt, heisst es. Aber wer denkt, derart reizvolle Stiefel seien eine zu heisse Angelegenheit, soll sich auf die Vergangenheit besinnen: Sie stehen für Heldenhaftigkeit. Und die kleidet einen in jedem Alter ganz vorzüglich.

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