Stil
Nieder mit der Effizienz
- Text: Jacqueline Krause-Blouin; Bild von Matthieu Bourel, aus The Age of Collage Vol. 2, Copyright Gestalten 2016.
Muss Mode denn immer vernünftig sein? Unsere stellvertretende Chefredaktorin Jacqueline Krause-Blouin fordert modische Risikobereitschaft.
Woran erkennt man uns Schweizer im Ausland? Nein, nicht die Uhr. Es ist die hochwertige Outdoor- Funktionsbekleidung. Und zwar nicht nur auf dem Himalaja oder auf Kreuzfahrt im Eisbrecher. Dabei ist das Leben doch schon geregelt genug: überall Excel-Tabellen und smarte Phones.
In meinen Augen ist die Outdoor-Klamotte das modische Äquivalent zur Excel-Tabelle – lösungsorientiert, aber vollkommen uncharmant. Mode allerdings soll nicht immer planbar, erwartbar und vernünftig sein. Während sich die Gründung der Dada-Bewegung in Zürich zum hundertsten Mal jährt, arbeiten Schweizer Nachwuchsdesigner wie Miriam Laubscher fleissig gegen die Outdoorjacken-Epidemie an. Nur auf den tristen Strassen ist davon noch nicht viel zu erkennen.
Natürlich heisst das nicht, dass wir nun alle zu Clowns mutieren sollen und nur noch Schuhe als Hüte tragen. Aber ich fordere: Mehr Dada auf Schweizer Haut. Und in Schweizer Köpfen. Denn das Gedankengut und die Hemmungslosigkeit der Kunstströmung, genauso wie die des Surrealismus, der aus Dada entsprang, würden unserem grauen Alltag guttun. Ein wenig Mut zur Extravaganz, vielleicht sogar zur Hässlichkeit, zur Provokation ist gefragt – und besonders der Spass am Ausdruck. Mode darf, nein, muss auch mal schockieren. Designerin und Enfant terrible Elsa Schiaparelli wusste bereits 1939, wie das geht, als sie erstmals ihre Farbkreation Shocking Pink präsentierte. Natürlich erfordert modische Risikobereitschaft nicht nur den Mut der Trägerin, sondern auch die Offenheit der Begutachtenden. Es lohnt sich – wir alle gegen die Herrschaft der Effizienz!