Stil
News und Trends direkt von der Milan Design Week
- Redaktion: Connie Hüsser, Line Numme; Text: Line Numme; Fotos: Joan Minder
Avantgarde im alten Palazzo, Design im Kloster – das Spiel mit Kontrasten dominierte die diesjährige Milan Design Week. Die wichtigsten News und Trends.
Gut beraten ist, wer vor der Design Week in Mailand schon mal die Spreu vom Weizen trennt und aus den unzähligen Einladungen und Ankündigungen die voraussichtlich besten herauspickt. Zur Messe Salone di Mobile mit ihren 2000 internationalen Ausstellern in 14 Hallen auf 340 000 Quadratmetern kamen dieses Jahr nicht weniger als 400 Events und Exhibitions hinzu, die im Rahmen des sogenannten Fuori Salone im Stadtzentrum stattfanden.
Was dieses Mal auffiel: Das Geschichtenerzählen ist zu einem der wichtigsten Design- und Verkaufsfaktoren geworden. Man möchte heute wissen, was hinter einem Produkt steckt. Wie ein roter Faden zog sich zudem das Spiel mit Kontrasten durch die Designlandschaft, seien es ungewöhnliche Materialkombinationen oder gegensätzliche formale Elemente – es wehte ein Hauch von Avantgarde durch die Hallen.
In der Stadt spannte sich dieser Faden fort. Zahlreiche alte Palazzi wurden von modernen Labels oder Designern besetzt. Zum Beispiel der Palazzo Litta, in dem sich unter der Schirmherrschaft des Designmagazins «Damn» spannende Installationen verschiedener Hersteller, Designer und Gestalterschulen präsentierten. Überhaupt wird dem Design von morgen viel Platz eingeräumt. So hat sich auch der grosse Schweizer Hersteller USM Haller zum 50-Jahr-Jubiläum seines modularen Möbelbausystems auf eine Forschungsreise mit ausgewählten Designstudenten begeben, um die Modularität der Zukunft auszuloten.
Bleibt, ein Licht aufs Licht zu werfen. Alle zwei Jahre findet als Sonderausstellung die Euroluce mit allen namhaften Beleuchtungsherstellern statt. Und 2015 wurde von der Uno zum Internationalen Jahr des Lichts erklärt.
Modulare Denkanstösse
Fünfzig Jahre gibt es das Möbelbausystem USM Haller schon. Mit Project 50 lancierte die Firma zum Jubiläum unter anderem ein weltweites Forschungsprogramm und lud bekannte Designschulen aus den USA, Japan und Europa ein, zum Thema «Modularität in der Zukunft» zu forschen. In einem einwöchigen Workshop wurde die Frage erörtert, wie die junge Generation mit Modularität umgeht oder was Modularität in Zukunft umfassen soll. Die dazu erarbeiteten Projekte wurden in Mailand präsentiert. Erstaunlich: Weit und breit war kein Regal zu sehen!
— www.usm.com
Alfredo Häberlis Vehikelvision
Der Zürcher Designer Alfredo Häberli ist seinem Traum, ein Auto zu entwerfen, dieses Jahr recht nahe gekommen: Von BMW mit den Keywords Präzision und Poesie sowie einer Carte blanche ausgestattet, durfte er sich ein halbes Jahr lang mit der Mobilität der Zukunft auseinandersetzen. Häberli begab sich auf eine Gedankenreise, die bis in seine Kindheit zurückreichte. Entstanden ist nach vielen Skizzen das imposante, 4 x10 Meter grosse Holzmodell eines futuristischen Fortbewegungsmittels, das weder Gefährt noch Boot noch Flugzeug ist. «Meine Vision wird durch diese abstrakte Skulptur eines Vehikels, welche das luxuriöse Gleiten einer Limousine in die Zukunft projiziert, dreidimensional.»
— www.alfredo-haeberli.com
Zauberhaftes Spiegelkabinett
Das dänisch-italienische Designduo Gam Fratesi (Stine Gam und Enrico Fratesi) gestaltete dieses Jahr Mindcraft, die dänische Designplattform. Die einmalige, mitten in der Stadt gelegene Location, das ehemalige Kloster Minore di San Simpliciano, wurde von ihnen regelrecht verzaubert. Sie verwandelten den Boden des Innenhofs mit 500 Quadratmeter Spiegel in eine poetische Bühne, auf der die Exponate der 14 Designer in Vogelkäfigen zu schweben schienen. Die Inszenierung erhielt eine Special Mention des Milano Design Award. Vor allem überzeugt habe die starke visuelle Wirkung und Versinnbildlichung des Dialogs zwischen Handwerk und Industrie.
— www.mindcraftexhibition.com, www.gamfratesi.com
Zwischen Opulenz und Klarheit
Die «Wohnung» des Interiordesignduos Emiliano Salci und Britt Moran war eine kleine Oase der Ruhe in der Hektik der Design Week. Die Räume befanden sich in einem von aussen unscheinbar wirkenden Haus. Innen aber war es eine Augenweide: Böden, Wände, Möbel und Objekte erschienen alle wie aus einem Guss und faszinierten durch ihre Einzigartigkeit und Zusammenstellung. Die sechsteilige Kollektion Palmador, die Salci und Moran zum 10-Jahr-Jubiläum ihrer Mailand-Präsenz herausgebracht haben, besteht aus hochwertigem Holz, Spiegeln, Glas sowie viel Bronze und Silber. Eine experimentelle Stoffkollektion zwischen Opulenz und geometrischer Klarheit vervollständigte das formal und farblich starke Gesamtkunstwerk.
— www.dimorestudio.eu
Philippe Malouin hats geschaukelt
Wie stellt man Kunststein aus? Caesarstone, das international führende Unternehmen für Quarzsteinoberflächen, liess den kanadischen und in London lebenden aufstrebenden Designer Philippe Malouin ans Werk, und der verwandelte den Palazzo Serbelloni in einen Spielplatz: In der grossen Halle platzierte er acht Schaukeln, jede mit einem anderen Stein als Sitzfläche und die aktuelle Farbpalette abbildend. Die Erlebbarkeit des Materials stiess bei den Besuchern auf grosse Begeisterung. Ausserdem wurde eine Reihe von Pflanzgefässen gezeigt, die Malouins experimentelle Herangehensweise an das Material demonstrieren, das er gesägt, gefräst und bildhauerisch bearbeitet hat.
— www.caesarstone.com, www.philippemalouin.com
1.
Die internationale Stilbibel, das Magazin «Wallpaper», kuratiert in Mailand jeweils eine Ausstellung, die wunderbare Beispiele des Zusammenspiels von Handwerk und Design präsentiert. Mit dabei sind jeweils etwa 30 namhafte Designer und Hersteller. Vor Ort diesmal ein Workshop von Emeco, in dem Jasper Morrisons Stuhl Alfi vom US-Metallschmied Josh Fisher (oben) live hergestellt wurde.
— www.wallpaper.com
2.
Vor Ort: Wohnredaktorin Connie Hüsser
3.
Auch mit von der Partie: Wohnredaktorin Line Nume
4.
Fotograf Joan Minder rückte die schönsten Möbel und Objekte ins rechte Licht.
5.
Arbeiten der Studenten zum Thema Modularität
6.
Der US-Künstler und Architekt Allan Wexler betreute den Workshop als einer von sieben Dozenten
7.
8.
Durfte sich zum Thema Mobilität austoben: Alfredo Häberli erklärt annabelle- Redaktorin Line Numme seine Skizzen
9.
Zauberhaftes Spiegelkabinett
10.
Ein formal und farblich starkes Gesamtkunstwerk: Emiliano Salcis und Britt Morans «Wohnung»
11.
12.
13.
Interaktive Präsentation: Philippe Malouins (u.) Schaukeln im Palazzo Serbelloni
14.
Frisch und fröhlich: Die Designer mögens süss und setzen auf Bonbon-Farben und -Formen.
Rechts: Regal Box aus dem Project Legacy von Frida Erson und Martin Eckerberg für Formellt, Links: Sessel Bras von Khodi Feiz für Artifort,
15.
Mit Ecken und Kanten: Das Material signalisiert Beständigkeit. Rechts: Beistelltisch Basalt von Fredrikson Stallard für Driade, Links: Beistelltische 529 Rio von Charlotte Perriand für Cassina
16.
Kunstvoll verpackt: Raffiniert arrangierte Textilien sind hier formgebend. Rechts: Gewächshäuschen Flatpack Greenhouse von Jonas Wagell für Kettal, Links: Sofa Matrizia von Ron Arad für Moroso
17.
Völlig schwerelos: Diese Objekte wirken instabil, aber behalten doch das Gleichgewicht. Rechts: Sofa Mangold von Mårten Claesson, Eero Koivisto und Ola Rune für Arflex, Links: Tisch Sfera von Ron Gilad für Molteni
18.
Heute Abend im neuen Lichtspiel: Zarte Bande, klare Linien und deutliche Farbakzente. Rechts: Hängeleuchte Stochastic von Daniel Rybakken für Luceplan, Links: Hängeleuchten Spokes von Vicente García Jiménez und Cinzia Cumini für Foscarini