«Man versteht meine Bilder auch ohne Modewissen»
- Interview: Jessica Prinz; Fotos: Lauretta Suter
Lauretta Suter (27) gewinnt den Swiss Photo Award in der Kategorie Fashion mit der Modestory «Think Pink», die sie für annabelle fotografiert hat. Ein Gespräch über Modefotografie, ideale Models und Flauschimonster.
Lauretta Suter wurde an der Photo18 im Januar zur Fotografin des Jahres 2018 gewählt. Jetzt gewann sie mit der Modestory «Think Pink», die sie für annabelle in Zusammenarbeit mit Modechefin Daniella Gurtner kreiert hatte, den Swiss Photo Award in der Kategorie Fashion. Die Bilder der Zürcherin sind «ästhetisch, clean und farblich nuanciert – und verzaubern mit ihrer sensiblen Art», begründet die Jury ihre Entscheidung. annabelle traf die 27-Jährige, die in Zürich und London tätig ist, zu einem Interview.
annabelle: Lauretta Suter, im Januar Fotografin des Jahres, im Februar der Swiss Photo Award. Was bedeuten Ihnen die beiden Preise, die Sie dieses Jahr gewonnen haben?
Lauretta Suter: Es ist eine Anerkennung. Nicht, dass ich sonst nicht so viel Herzblut hineingeben würde. Aber ich sehe es als Belohnung für die harte Arbeit, die ich leiste. Besonders der Preis als Fotografin des Jahres hat mich gefreut – dass ich als Modefotografin überhaupt die Chance habe, für einen Preis, der nicht in Kategorien unterteilt ist, nominiert zu werden. Mode mit Reportagen zu vergleichen, das ist unheimlich schwierig. Neben ihnen wird die Mode oft als weniger bedeutend angesehen. Umso mehr freue ich mich, dass die Jury das anders gesehen hat.
Viele denken ja auch, Modefotografie sei oberflächlich. Wie sehen Sie das?
Ich finde nicht, dass sie oberflächlich ist, im Gegenteil. Man kann mit ihr sehr gut Gefühle transportieren. Sicher erfährt man durch sie keine Fakten, die man in der Zeitung lesen würde, aber es ist eine andere Art Information, die vermittelt wird.
Setzen die beiden Preise Sie unter Druck? Oder gibt es Aufwind?
Es gibt zusätzlichen Antrieb. Grundsätzlich motiviert es mich mehr zum Weitermachen, als dass es mich ausbremst oder unter Druck setzt. Die Wertschätzung und Anerkennung ist einfach schön. Aber auch wenn ich die Preise jetzt nicht bekommen hätte – ich habe immer eine eigene Motivation für meine Arbeit.
Hätten Sie gedacht, dass Ihre Bilder so gut ankommen?
Ich bin überrascht, aber es freut mich natürlich. Meine Bilder sind immer recht farbig und pastellig, sie enthalten Gegenstände aus den 90er-Jahren, mal Furbies oder etwas Glitzerndes. Ich hatte darum immer das Gefühl, dass die Bilder eher bei Frauen meines Alters ankommen. Sie können sich mit ihnen identifizieren. Deshalb überrascht es mich, dass sich zum Beispiel Res Strehle vom «Tages-Anzeiger» ebenfalls angesprochen fühlt. Gleichzeitig glaube ich, dass meine Fotografie dadurch, dass sie so reduziert und grafisch ist und oftmals mit einem Augenzwinkern daherkommt, massentauglich ist. Man muss sich nicht mit Mode auskennen, um meine Bilder zu verstehen.
Was haben Sie als Nächstes vor?
Vielleicht werde ich jetzt, wo ich in London ein gutes Netzwerk habe, eine neue Stadt oder ein neues Land kennenlernen. Stockholm zum Beispiel. Fotografisch will ich so weitermachen wie bisher, weiterhin innovativ sein. Ausserdem habe ich im letzten Jahr eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht. Yoga ermöglicht es mir, eine Pause einzulegen, und die Körperbewegungen und Verrenkungen sind für meine Fotografie sehr inspirierend.
Gibts noch andere Inspirationsquellen?
Wenn ich unterwegs bin, sehe ich oft aussergewöhnliche Farbkombinationen oder Situationen. Alltagsarchitektur und teilweise auch meine eigenen Befindlichkeiten lasse ich in meine Arbeit einfliessen. Aber hauptsächlich inspiriert mich das Tanzen. Wenn ich selbst tanze, aber auch wenn ich mir Performances anschaue.
So kamen Sie auch zur Fotografie, oder?
Ja, hauptsächlich durchs Tanzen. Ich begann damals, meine Kolleginnen zu fotografieren und experimentierte ein wenig. Grad im Ballet und im Jazz ist extrem definiert, was schön ist, was richtig und was falsch. Ich fing dann an, mit diesen Zwischenmomenten zu spielen, die vielleicht nicht ganz perfekt sind. Das Zufällige reizte mich. Gleichzeitig entdeckte ich in der Schulzeit meine Leidenschaft fürs Basteln und die Fotografie. Mit einer Kombination aus beidem konnte ich meine Aussagen am besten rüberbringen. Später dann entschied ich mich für die Ausbildung zur Fotodesignerin – mit der Unterstützung meiner Eltern.
Was gefällt Ihnen am meisten an Ihrem Job?
Es ist toll, mit verschiedenen Teams arbeiten zu können, das viele Reisen, auch die handwerkliche Arbeit für meine Sets. Und dass ich am Schluss ein fertiges Produkt habe – das finde ich fast am Schönsten. Wenn ich weiss, dass eine neue Publikation mit meinen Bildern herauskommt, renne ich zum Kiosk und hole das Magazin. Es ist so schön, meine eigene Arbeit abgedruckt zu sehen.
Mit welcher Art Models arbeiten Sie gern?
Ich mag Models, die mitdenken und sich einbringen. Und ein wenig Mut zum Unvorteilhaften mitbringen. Darum arbeite ich gern mit neuen Gesichtern. Sie wollen nicht immer kontrolliert aussehen und von ihrer besten Seite gezeigt werden, sondern machen auch mal eine Drehung, bei der sie vielleicht in einem nicht so schönen Moment eingefangen werden.
Ihre Bilder in drei Worten?
Aufgeräumt, augenzwinkernd, und … es sind eben nicht alle pastellig, aber eigentlich wärs schon pastellig (lacht).
Drei Ihrer Lieblingswerke?
«It’s not easy being green» von Modefotografin Viviane Sassen finde ich schön. Dann gibt es eine tolle Kenzo-Geschichte von Fotograf Pierpaolo Ferrari, die sehr surrealistisch ist. Man sieht beispielsweise zwei Hosenbeine, bei einem ist ein Fuss zu sehen, beim anderen eine Hand. Und die One-Minute-Sculptures von Künstler Erwin Wurm flashen mich. Besucher seiner Ausstellung werden aufgefordert, sich beispielsweise zwei Spargeln in die Nase zu stecken und eine Minute so dazustehen. Die Menschen werden zum Kunstwerk, fühlen sich aber unangenehm ausgestellt. Das ist auch etwas, das ich in meiner Arbeit suche: Es ist alles pretty, pink und fluffy, da ist aber auch etwas, das nicht ganz stimmt und die Harmonie bricht.
Wen hätten Sie gern mal vor der Kamera?
Da ich aus meinem Model meist eine Protagonistin mache, der ich eine Rolle zuweise, steht bei mir die Person nicht im Vordergrund. Die bessere Frage wäre darum vielleicht, was ich gern vor der Kamera hätte. Ich schaue mir gern Ausstellungen und Installationen an. Ernesto Neto, ein brasilianischer Künstler, macht crazy Traumwelten, die fantastische Sets abgeben würden. Oder die Soundsuits von Nick Cave. Seine skurrilen Kostüme wären die perfekten Shootingpartner für meine Models. Man merkt also, dass ich mehr Freude daran habe, ein Flauschimonster zu fotografieren als eine bestimmte Person.
Am 22. März findet die Preisverleihung des Swiss Photo Award in der Photobastei Zürich statt. Die Arbeiten sind danach bis am 15. April dort ausgestellt.
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Lauretta Suter (27)