Making-of: Starfotograf Hans Feurer in der Casa Cavalli
- Text: Silvia BinggeliFotos: Lukas Lienhard
Ein Shooting mit dem Schweizer Starfotografen Hans Feurer ist ein Erlebnis. In der Casa Cavalli in Florenz war das nicht anders.
(Gross werden die Bilder übrigens, wenn Sie rechts unten im Bild auf das rechteckige Symbol klicken.)
Hans Feurer berechnet den Moment mit zusammengekniffenen Augen. Die Sonne erhebt sich über der Stadt und taucht die Landschaft in ein sanftes Licht. Wir stehen auf einem Hügel ausserhalb von Florenz. Es ist morgens um sechs, und Hans Feurer wird gleich tun, was keiner so gut kann wie er: Sein meisterliches Spiel mit Licht und Schatten treiben.
Der 72-jährige Schweizer Fotograf wird hier auf dem privaten Anwesen von Roberto Cavalli exklusiv für annabelle die überarbeitete junge Linie des Designers, Just Cavalli, fotografieren. Der Hausherr ist in den Ferragosto entschwunden, der Hangar seines Helikopters steht leer da. Wahrscheinlich schippert er in seiner vierzig Meter langen Jacht übers Mittelmeer. Hans Feurer wirft einen ungeduldigen Blick auf die Uhr. Er will die Magie des Morgens nicht verpassen. Das Model Lejla Hodzic wird oben in der alten florentinischen Villa noch geschminkt und frisiert.
Feurer, der dafür bekannt ist, bei einem Glas gutem Wein gern stundenlang über das Leben zu philosophieren, ist jetzt wortkarg. Er murmelt nur «Hier werden wir anfangen» und zeigt auf eine Passage des Kieselsteinwegs, auf dem die Olivenbäume ihr Schattenspiel treiben.
Dann stöckelt das Model Lejla Hodzic heran, sie trägt einen Kurzmantel mit Leopardenprint und ein ausdrucksstarkes, aber natürliches Make-up, wie es Hans Feurer gewünscht hat. Der Fotograf faltet seinen Klappstuhl auseinander, setzt sein Baumwollmützchen auf, ein Ritual, auf das er auch bei 30 Grad im Schatten nicht verzichtet, und legt die Kamera an, seine Füsse stecken in Birkenstocksandalen und stehen parallel nebeneinander, wie abgemessen. Er heisst das Model aus hundert Meter Entfernung langsam auf ihn zukommen. Halte die Schultern gerade, Mund schliessen, aber ein bisschen freundlicher, ja, das ist schön, klack, klack, klack. Lange braucht Hans Feurer nicht, um den Moment einzufangen. Schon klappt er den Stuhl zusammen, und der Tross aus Assistenten, Visagistin und Stylistin folgt ihm zur nächsten Location.
«Das kann ich besser!»
Hans Feurer ist auch seine Karriere zügig angegangen: Nach der Kunstgewerbeschule reiste der gebürtige Toggenburger in den Sechzigerjahren nach Paris, wo die Bohème die Weltordnung hinterfragte und er in der Modewelt schnell zum gefragten Art Director wurde. Seine radikale Ästhetik kam an, auch als Fotograf, zu dem er sich im Selbststudium ausbildete, weil er als AD irgendwann gefunden hatte: Das kann ich besser. In den Siebziger- und Achtzigerjahren holte er als einer der Ersten die Models aus den Studios. Scheinwerfer interessierten ihn nie. Nichts sei schöner als Naturlicht, sagt er. Hans Feurer brachte seine zwei Leidenschaften zusammen: das Erkunden fremder Länder und Kulturen und die Modefotografie. In Afrika, Zentralamerika und Indien fotografierte er Kleider an starken Frauen, als einer der Ersten auch an farbigen Models. Er liess seine Protagonistinnen Rollen spielen, etwa die einer Ethnologin, oder bemalte im Stil eines Actionpainters ihre nackten Körper und Gesichter mit Farbe. Hans Feurers Bilder sind erotisch, nie aber voyeuristisch.
Er fotografierte für alle wichtigen Magazine von «Vogue» bis «Sports Illustrated», dazu den legendären Pirelli-Kalender und Kampagnen für Kenzo, Kodak oder Comme des Garçons. In den androgynen Neunzigerjahren wurde es still um den «Meister des Gegenlichts». Doch jetzt erlebt er ein Revival, wird in Ausstellungen gefeiert, fotografiert erneut für Hochglanzmagazine auf der ganzen Welt und gehört wieder zu den Stammfotografen der französischen «Vogue». Deren Chefredaktorin Emmanuelle Alt ist einer seiner grössten Fans. Feurer hat heute wie damals die bekanntesten Models vor der Linse, unlängst beispielsweise Anja Rubik. Jungtalente wie Lejla Hodzic coacht er mit Geduld. Der Gewinnerin des Schweizer Elite Model Look 2010 und Nachfolgerin von Julia Saner rät er beim Shooting in Florenz: Fühl dich wie die Beste, die Schönste!
Die Thurgauerin mit serbischen Wurzeln ist vor allem von Feurers Tempo und Entschlossenheit begeistert: Andere Fotografen, sagt sie, fänden immer erst mit der Zeit heraus, was sie wollten. Auch Visagistin Monika Spisak schätzt an Hans Feurer, dass er so konkrete Vorstellungen vom Bild hat, das er machen will: «Ich stelle mich immer neben die Fotografen, damit ich aus ihrem Blickwinkel sehe, wie das Make-up wirkt. Die meisten bemerken das gar nicht. Hans Feurer hat es von Anfang an verlangt.» Und annabelle-Stylistin Cati Soldani, die schon öfter mit ihm gearbeitet hat und auch seine unverblümte Art kennt, wenn ihm etwas nicht passt, meint: «Er sagt nicht, das könne man später noch retuschieren. Das mag er ebenso wenig wie Blitz, Aufheller oder Reflektoren.»
Die weiteren Sujets will Hans Feurer nicht im Haupthaus der alten Villa von Signor Cavalli fotografieren. Im üppig dekorierten Palazzo treffen für ihn zu viele unterschiedliche Stile aufeinander. Er beschliesst, im modernen kubischen Atelier des Modedesigners mit kleiner Zweitwohnung weiterzumachen. An der perforierten Aussenwand stellt sich das Model nach Feurers Anweisung genau dort hin, wo die Sonne das rosa Kleid zum Leuchten bringt.
Vier Stunden später, gegen elf Uhr, sind sieben Sujets, für die andere Fotografen einen ganzen Tag brauchen, im Kasten. Hans Feurer ist nun bereit, ebenso hingebungsvoll zu geniessen: Auf der Terrasse, im Schatten der Bäume, freut er sich über Melone, Parmaschinken und Kalbsplätzli, die die gute Seele der Casa Cavalli auftischt. Und dann erzählt Feurer doch noch das eine oder andere Müsterchen aus seinem bewegten Leben. Etwa wie er vor Jahren ins westafrikanische Sierra Leone reiste, um seiner Passion, der Sport-Hochseefischerei, zu frönen, und dabei in die Hände von Rebellen fiel. Die Kalaschnikow an der Schläfe, überlegte er schnell und scharf, wie er sich da retten könnte: Jodeln, das wars! Also jodelte er und tanzte, bis der Rebellenchef in schallendes Gelächter ausbrach. Und den Toggenburger Weltenbürger freiliess.
Hans Feurer fotografierte für uns die Pre-Collection Frühling/Sommer 2012 von Just Cavalli, die nun in den Läden ist. An den Charles Vögele Fashion Days Zurich wird Roberto Cavalli am 10. November die Sommerkollektion 2012 von Just Cavalli zeigen. Die Charles Vögele Fashion Days Zurich finden vom 9. bis 12. November im Puls 5 in Zürich statt: mit Shows von nationalen und internationalen Labels – etwa Julien Macdonald –, Musicacts und Aftershowpartys. Unterstützt wird der Event von Charles Vögele und Mercedes-Benz, nebst weiteren Partnern. Ein Highlight des Anlasses ist die Vergabe des 8. annabelle award: Eines von fünf Schweizer Designtalenten gewinnt ein Praktikumsjahr bei Roberto Cavalli.
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Doch, das Model ist auch auf dem Bild!
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Italianità mit Papageien: Die gedeckte Veranda der alten Villa
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Feurers Assistent Michael Koritschan misst das Licht bei Model Lejla Hodzic
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Make-up Artist und Hairstylistin Monika Spisak gibt Lejla Hodzic’ Kurzhaarfrisur mit einer Zahnbürste den letzten Schliff
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Der Eingang zum herrschaftlichen Cavalli-Anwesen
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Keine Scheinwerfer, keine Reflektoren: Action im von Architekt Italo Rota gebauten Atelierhaus
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Von Altmeister Feurers Tempo beeindruckt: Lejla Hodzic, Gewinnerin des Schweizer Elite Model Look 2010
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Roberto Cavallis Helikopter-Hangar
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Fotograf Hans Feurer mit Lifestyle-Chefin Silvia Binggeli
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Küsschen für den Meister: Lifestyle-Chefin Silvia Binggeli, Hans Feurer und Mode-Redaktorin Cati Soldani
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