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Luzern – Im Turm der Herzen

Luzern – Im Turm der Herzen

  • Text: Helene Aecherli; Fotos: Stephan Rappo

Die Lustlaube beim Schloss Meggenhorn bei Luzern ist ein wunderbarer Aussichtspunkt. Für Helene Aecherli aber auch ein Ort der Erinnerungen.

Ich weiss nicht, wann ich es entdeckte und wer in diesem Augenblick bei mir war. Aber das spielt keine Rolle, denn es war Verzauberung auf den ersten Blick, und wenn mich jemand fragt, welcher Ort in der Schweiz meine Seele am tiefsten berührt, dann sage ich, ohne zu zögern: die Lustlaube beim Schloss Meggenhorn in Luzern.

Lustlaube, so nenne ich es auf jeden Fall, dieses Häuschen, das eigentlich bloss ein Aussichtstürmchen ist, ein hölzerner Gartenpavillon, den der einstige Schlossherr 1943 erbauen liess, um sich nach seinen Spaziergängen auf der schmalen Bank in seinem Inneren niederzulassen und den Blick über die Landschaft zu geniessen. Inzwischen ist das Holz verwittert, von Furchen durchzogen, wie ein Antlitz, das von Wind, Sonne, Trauer und Glück geprägt ist und in das sich Spuren der Liebe gegraben haben. In den porösen Wänden sind Herzchen eingeritzt, immer jeweils um zwei Namen herum, die Ritzen sind so tief, dass man nicht anders kann, als ihnen mit dem Finger zu folgen, in der Hoffnung, dass sich das Glück der Zeichnung auf einen selbst überträgt.

Einmal stieg ich mit einem Geliebten zur Lustlaube hinauf, um den Abschluss meines Studiums zu feiern. Wir tranken Rosé und assen gebratene Pouletschenkel mit Rosmarin, es regnete leise, und wir blickten still über das Seebecken. Vor uns breitete sich der Kreuztrichter aus, die Stelle, wo der Vierwaldstättersee 83 Meter tief und das Wasser kristallklar ist, und das Alpenpanorama, die Rigi, der Bürgenstock, das Stanserhorn, der Pilatus, und ich wusste, dass ich diesen Moment nie vergessen würde, weil er Abschluss und Abschied in sich vereinte: Ich stand auf der Schwelle eines neuen Lebensabschnitts, und die dritte Liebe meines Lebens würde am Tag danach in die USA auswandern. Ich war froh um den Regen, denn er vermischte sich mit meinen Tränen.

Ein anderes Mal besuchte ich die Lustlaube mit einem Mann, den ich nicht liebte. Ich verstehe heute noch nicht, warum ich mich auf den Ausflug eingelassen hatte, aber er war Amerikaner und hatte diesen Ort unbedingt besuchen wollen. Nie werde ich vergessen, wie ich verkrampft am Fenster der Laube stand, innigst hoffend, er würde nicht versuchen, mich zu küssen, und deshalb eifrigst drauflosredete, die Geografie erklärte, gestikulierte, laut lachte, zum Aufbruch drängte. Ich hasste mich in diesem Moment und verfluchte die Sonne, die die Aussicht in heiteres Licht tauchte, so, als würde sie uns milde belächeln.

Nächstes Mal gehe ich allein hin. Allein mit dem Rucksack meiner Erinnerungen und dem Kaleidoskop meiner Gedanken. Und wenn ich mich dann auf der schmalen Bank niederlasse und über die Reben und das Wasser starre, werde ich versuchen, nichts zu denken, sondern nur zu sehen, was ist. Und dann nach dem Herz suchen, das wir damals, vor über zwanzig Jahren, in die morsche Holzwand geritzt haben.

Schloss Meggenhorn, www.meggenhorn.ch. Das Schloss liegt von Luzern her kommend unmittelbar nach der Ortseinfahrt Meggen auf einer kleinen Landzunge am See. Um die Lustlaube zu erreichen, geht man durch den Schlosspark hindurch und folgt dem Pfad hügelaufwärts.

Seehotel Hermitage, Luzern. Ich liebe es, hier einzukehren und den schmalen Uferweg entlang zum Schloss zu spazieren. Die Wanderung dauert eine halbe Stunde und ist bei jeder Witterung betörend schön.

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