Es ist spät abends, ich sitze auf meinem Hotelbett, nach einem langen Tag an der Fashion Week in Paris. Eine Fashion Week, die Ihren Abschied markiert.
Kurz vor Weihnachten kam die Meldung. Ich war grad an einem Fotoshooting, als ich das E-Mail las: Phoebe Philo verlässt das französische Modehaus Céline. Eine überraschende Nachricht war das zwar nicht, wurde doch schon lang spekuliert, dass Sie nach zehn Jahren neue Wege einschlagen würden. Aber die Gewissheit, dass Sie tatsächlich gehen, tat weh.
Sie sind mit ein Grund, dass ich heute als Moderedaktorin arbeite. Die Modeindustrie ist eine verrückte Welt, in der oft gilt: je bunter, je lauter, je schriller, desto besser. Sie müssen wissen, ich bin ein ganz anderer Typ Mensch, ganz und gar nicht bunt, laut, auffallend und schrill. Genau deswegen konnte ich mich in all den Jahren so gut mit Ihnen identifizieren: Ihre schüchterne, zurückhaltende und bodenständige Art ist einzigartig in der Modebranche. Sie machten mir Mut!
Wo alle anderen Designer das Rampenlicht suchen, ziehen Sie sich lieber zurück, geben kaum Interviews und keine Auskunft über Ihre Inspirationsquellen, sondern lassen – ganz ohne Worte – Ihre kreative Arbeit für sich sprechen. Sie schaffen Mode für Frauen, kreieren Schnitte und Formen, die feminine Reife suggerieren. Überdimensional grosse Taschen für Frauen, die auch Frauen Platz bietet, die eine Karriere und Kinder haben, unkomplizierte Kleidung für den Alltag, die an eleganter Schönheit nicht zu übertreffen ist. Sie geben Frauen Ihre zweite Haut, in der sie sich auch wirklich wohl fühlen. You really know what Women want!
Und so passte es auch zu Ihnen, dass Sie 2012 die Herbst/Winter-Shows ausliessen, weil Sie mit Ihrem dritten Kind schwanger waren. Stattdessen wurde ein Lookbook präsentiert. So konnten Sie sich den Stress einer Show ersparen und sich ganz auf Ihre Schwangerschaft und Ihre Familie konzentrieren. Und wieder wurden Sie für mich zum Vorbild.
Es ist nun das zweite Mal seit Ihrer Amtszeit bei Céline, dass es keine Show geben wird. Es wäre Ihre letzte gewesen für das französische Modehaus. Stattdessen wird es eine Kollektionspräsentation geben, die von ihrem Team designt wurde. Zum wiederholten Mal inszenieren Sie sich nicht selbst. Kein Paukenschlag zum Schluss, kein Rampenlicht, nicht mal ein letzter Applaus.
Nun wird natürlich gemunkelt, was Ihr nächster Schritt sein wird. Spekuliert wurde, dass Sie zum britischen Traditionslabel Burberry wechseln – doch seit wenigen Tagen wissen wir, dass Riccardo Tisci neuer Kreativchef im englischen Traditionshaus wird. Die Gerüchteküche brodelt dennoch weiter: Übernehmen Sie das Zepter von Karl Lagerfeld bei Chanel? Kann sein. Gründen Sie Ihr eigenes Label? Möglich. Es würde aber auch zu Ihnen passen, dass Sie sich nun eine Pause gönnen, wie Sie es schon damals taten, nach Ihrer Zeit bei Chloé und lang vor Céline. Und wer weiss, vielleicht kehren Sie auch nie mehr in die Modewelt zurück, sondern geniessen das Leben als Frau und Mutter, ziehen aufs Land, renovieren ein Haus oder werden Künstlerin.
Ihnen, liebe Phoebe Philo, traue ich das alles zu. Sie werden das tun, was Ihnen gut tut, da bin ich mir sicher!
Welchen Weg Sie auch gehen werden: Ich wünsche Ihnen nur das Beste und bin gespannt, was er für Sie bereit hält. Nun gehe ich erst mal schlafen, morgen wartet ein weiterer Tag an der Fashion Week Paris auf mich, die von nun an ohne Sie auskommen muss.
Ich bedanke mich bei Ihnen für zehn wunderbare Jahre – ich werde Sie sehr vermissen!
Herzlich,
Nathalie De Geyter