Werbung
Liebe Connie Hüsser

Stil

Liebe Connie Hüsser

  • Text: Dieter van den Storm; Foto: Daniel Valance

Für einmal kommt unser wöchentliches Kompliment ein wenig umfangreicher daher. Connie Hüsser gewann als erste Interior-Stylistin den Schweizer Grand Prix Design 2019 und stellte an der «Design Miami» in Basel aus. Fans der annabelle kennen sie als Jongleurin kultiger Wohnobjekte. Zeit für eine Würdigung. 

Worauf achten Sie, wenn Sie durch eine Stadt gehen? Auf die historischen Gebäude? Die Schaufenster? Oder das Ungewöhnliche, die Details, die Art und Weise, wie etwas hergestellt wurde? Wenn Sie mit Connie Hüsser in Zürich unterwegs sind, sind die Chancen gross, dass Sie aufgrund ihres chaotischen Wesens die Sehenswürdigkeiten der Stadt verpassen. Gleichzeitig wird der Spaziergang ein unvergesslicher sein, da Sie die Stadt durch ihre Augen sehen. Sind Sie offen für Magie, Poesie und Nervenkitzel? Dann ist Connie Hüsser die perfekte Begleiterin.

Connie wer? Sollten Sie ein Fan der annebelle sein, dann kennen Sie Connie Hüsser. Seit fast zwanzig Jahren gestaltet sie als freiberufliche Stylistin und Redaktorin die Design-Seiten des Magazins. Ihre Collagen, bestehend aus Objekten, Möbeln, Accessoires und Trouvaillen, sind Kult und werden von ihr mit viel Hingabe und grossem Fachwissen zusammengestellt. Connie weiss, wie man Bekanntes mit Ungewöhnlichem verbindet, und strebt stets nach dem bestmöglichen Ergebnis. Sie hat eine Schwäche fürs Handgemachte und die Freiheit der Form und verfügt über eine ungehemmte, fast kindliche Fantasie. Dort, wo Design für viele «zu speziell» oder «zu weit hergeholt» wirkt, beginnt erst ihre Leidenschaft.

Ich kenne Connie seit vielen Jahren, doch ihre Kreativität verblüfft mich immer wieder von Neuem, zumal sie sich ihr grosses Wissen als Autodidaktin angeeignet hat. Vor ein paar Monaten spazierte ich durch die Strassen von Zürich. Ich kam an einem Schaufenster vorbei, das mit allerlei Schnickschnack, wie Connie es nennen würde, vollgestellt war. Dahinter erkannte ich einen Hocker des französischen Designers Philippe Starck und den Tisch Quaderna von Superstudio aus den 1970er-Jahren. Ich fragte mich, was für eine Art Laden das war, da ich die Mischung der Objekte so interessant fand – bis ich feststellte, dass ich vor Connies Atelier stand, das ich in der Vergangenheit schon öfters besucht hatte. Doch da sie die Gestaltung ihres Schaufensters immer wieder veränderte, dauerte es einige Augenblicke, bis ich es wiedererkannte. Vor Kurzem zog sie aus ihrem Atelier aus, aber bis dahin war es ein Ort, an dem sie ihr eigenes Universum schuf. Ihre Objekte verkaufte sie nicht, sie sammelte und zeigte sie nur.

Mit derselben Kreativität und Leidenschaft, mit der sie ihr Atelier bespielte, verfolgt Connie Hüsser ihre Arbeit. Von ihr stammt die Innendekoration des berühmten Vitra-Hauses in Weil am Rhein, das von den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron erbaut wurde. Ihr Styling hat die Bildsprache der berühmten Vitra-Kataloge geprägt. Ob Showroom oder kommerzieller Stand, ihre DNA findet sich in jedem Auftrag, den sie ausführt. Und stets überrascht sie mit ihrem Blick für ungewöhnliche Formen und sonderbare Objekte, die Frische in eine Welt bringen, die von Normen bestimmt ist. Ihr Beruf bringt sie mit Designern aus aller Welt in Kontakt. Sie nennt Favoriten wie Bertjan Pot, Harvey Bouterse, Sabine Marcelis, David Taylor und Fredrik Paulsen – aber für viele der grossen Namen ist auch Connie eine Quelle der Inspiration.

Im vergangenen Jahr bat ich sie, während der «Biennale Interieur» in Belgien eine Ausstellung zu kuratieren. Sie hiess «Objects with Love» und versammelte verschiedenste Designarbeiten aus aller Welt, obskure Objekte von Herstellern und Künstlern, die man kaum kennt, aber umso interessanter zu entdecken waren. Die Show war ein derartiger Erfolg, dass die Macher von «Design Miami» Connie baten, ihre Ausstellung in Basel zu wiederholen.

Ich empfinde eine grosse Dankbarkeit für unsere Freundschaft, denn Connie lehrte mich, das Leben anders zu betrachten. Das Überraschende in den unscheinbarsten Dingen zu sehen und zu schätzen: In einem glänzenden Glas, einem glitzernden Vorhang, einem Kronleuchter aus Keramik oder einem einfachen Holzlöffel. Wie der amerikanische Designer Charles Eames einmal sagte: «Details sind nicht nur Details. Sie machen den Entwurf.» Und es sind die Details, die unsere Freundschaft definieren: lange Spätabendgespräche, viel Gelächter, die eine oder andere Träne, ein überschäumender visueller Austausch auf Instagram und sehr viele Textnachrichten in kryptischem Englisch.

Im Mai wurde Connie bei den «Swiss Design Awards» des Bundes mit dem Grand Prix ausgezeichnet. Und im «Tages-Anzeiger» erschien ein Artikel über sie mit dem Titel «Ich wurde in einem Volvo gezeugt». Ohne über die Folgen nachzudenken, warf sie das Liebesleben ihrer Eltern ins Freie. Doch das Zitat enthält so viel Wahrheit und Humor, dass man Connies Spontaneität nur verzeihen kann. Der Satz sagt viel über ihre Aufgeschlossenheit aus. Aber auch über ihre Faszination für Autos, insbesondere für den Volvo: Kein Wunder, denn aufgewachsen ist sie über der Volvo-Garage ihres Vaters. In ihrem ehemaligen Atelier gab es eine Wand voller Erinnerungsstücke: Aufkleber, Broschüren, Radkappen, Fotos, Hüte, technische Handbücher. Und natürlich fährt auch Connie einen alten Volvo. Das kann nur Liebe sein.