Es gibt Trends, die hätte die Welt lieber nie hervorgebracht. Bestes Beispiel: die Radlerhose, findet Autorin Barbara Loop.
Manchmal schliesse ich die Augen und tue so, als hätte ich das mit der Objektpermanenz nie gelernt. Sie wissen schon, diese Fähigkeit zu begreifen, dass der Teddy auch da ist, wenn Papa ihn hinter dem Rücken versteckt. Man lernt dies vor dem ersten Geburtstag. Leider. Total überbewertet so was. Zumal wir in einer Welt leben, die die Radlerhose hervorgebracht hat.
Die schlüpfrigen Dinger, die sich irgendwann in den Achtzigerjahren von den Velosätteln gelöst und wie Frischhaltefolie an die Oberschenkel der Teenager geklebt hatten, feiern ein Comeback. Elastisch und reissfest wie ein Präservativ und genauso effektiv in der Wirkung, wurde die Hose damals gern in Türkis, Violett oder Lachs getragen. Allein Prinzessin Diana schaffte es, in dieser Kluft Würde zu bewahren.
Nun sind ja derzeit nicht nur Horror-Filme, sondern auch Horror-Fummel im Trend: Vom Ugly Dad Shoe über die Tennissocke bis zur besagten Radlerhose – sie waren gar nicht tot, sie warteten nur darauf, dass es Mitternacht schlug. Befeuert wurde die Wiederkehr der Radlerhose ausserdem von zwei Trends, deren zeitgleiches Bestehen zeigt, wie gross die modische Verwirrung derzeit ist: Athleisure und Bodypositivity. Oder warum sind wir so besessen vom Sport, wenn wir mit unseren Körpern doch so im Reinen sind?
Natürlich war es Kim Kardashian, welche die fiese Hose letzten Sommer wiederentdeckte. Fortan hielt ich die Augen konsequent geschlossen, während das Drama seinen Lauf nahm: Off-White-Designer Virgil Abloh hat die Mini-Leggins oder, je nach Perspektive, die Maxi- Unterhose für den Sommer propagiert, bei Saint Laurent versah man sie mit Spitze, und auf Kim folgten Gigi, Bella, Trallala. Und dann, als im Modekalender schon der Herbst anbrach und ich meine Augen wieder zu öffnen wagte, lief ich voll in den Hammer: Ausgerechnet Marine Serre, eine der derzeit hoffnungsvollsten Designerinnen, hält an der Hose des Grauens fest.
Übrigens bin ich nicht die erste, die sich über zweckentfremdete Sportbekleidung ereifert: «Ja, die Pariserinnen […] lassen sich sogar schon im knappen Bicycle- Anzug öffentlich sehen, ohne Bicycle zu fahren», schrieb die Zeitschrift «Wiener Bote» 1896. Die Frauen trugen statt Jupes erstmals Pumphosen oder Hosenröcke, schicke weite Hosenröcke. Die hatten vielleicht Probleme!