Die Modeschauen fanden dieses Jahr fast ausschliesslich digital statt. Das mag der Grund dafür sein, dass sich die It-Pieces dieses Winters – die Tire-Boots von Bottega Veneta oder die Logo-Strümpfe von Chanel – an einer Hand abzählen lassen.
Es war eine visionäre Idee: Die italienische «Vogue» startete im Januar mit einer Ausgabe ins Jahr, die ganz auf Illustrationen setzte. Als Antwort auf die «Fridays for Future»-Proteste verzichtete das Magazin – ganz umweltbewusst – auf die ressourcenintensive Produktion von Modestrecken. Wer hätte geahnt, dass nur ein paar Wochen später dieser Verzicht kein freiwilliger mehr sein würde? Kaum je gestalteten sich Fotoshootings, mit internationalen Teams und Locations, so kompliziert wie im Jahr der Pandemie.
Aber während die Magazine zuweilen erfrischend unkonventionelle Wege fanden, die neue Mode trotz Social Distancing und Reiseeinschränkungen zu inszenieren, fiel in dieser Saison ein anderes Bildkonzept fast komplett weg: die Streetstyle-Fotografie. Und das blieb nicht ohne Folgen. Denn die Fotografie der Looks von der Strasse, die Bill Cunningham in den Siebzigerjahren erfand, hat sich gewandelt. Von der Entdeckung vielfältigster Spielarten der modischen Inszenierung hin zu einer durchorchestrierten Marketingplattform für It-Pieces.
An den Fashion Weeks posieren Influencer nicht selten bereits mit den Keypieces, die dort erst für die kommende Saison präsentiert werden. Und so setzten sich allein durch die tausendfache mediale Wiederholung die immer gleichen Taschen, Schuhe und Statement-Kleider in unseren Köpfen fest, wie einst – «Waschmaschinen leben länger» – der Wasserenthärter aus der Werbung.
Dass die Modeschauen nun fast ausschliesslich digital stattfinden, mag der Grund dafür sein, dass sich die It-Pieces dieses Winters an einer Hand abzählen lassen: etwa die Gürtel-Schatullen von Prada, die Tire-Boots von Bottega Veneta und die Logo-Strümpfe von Chanel. Und kommende Saison? Viel aufregende Mode, auch Trends, aber (noch) kaum It-Pieces. Die müssen sich für einmal erst dazu mausern, dann nämlich, wenn sie im Verkauf sind. Im Sommer 2021. Und so haben die von Hand gezeichneten Illustrationen der italienischen «Vogue» auch das vorweggenommen, was die Mode in diesem Jahr so schmerzhaft wie zukunftsweisend für sich entdeckt hat: die Entschleunigung.