Stil
Julian Zigerli: Der Zürcher Jungdesigner zeigt seine Mode erstmals in Mailand
- Text: Christina Duss, Fotos: Laurent Burst
Julian Zigerli zeigte zum ersten Mal eine Kollektion an der Männermodewoche in Mailand. Eine emotionale Sache für den Zürcher Designer. Und ein Prestigeevent für die Modestadt.
Julian Zigerli joggt in Converses, weisser Hose und einem selbst entworfenen Pulli auf den Laufsteg, verbeugt sich, lacht, formt mit beiden Händen das dreieckige Armani-Logo, dann sein eigenes Zeichen, das Zigerli-Herz. Es klatschen: unter anderem der Fashion Director der italienischen Männer-«Vogue», Robert Rabensteiner, aber auch Mario Boselli, Beppe Modenese und Jane Reeve – Eminenzen der italienischen Modekammer. Als Julian Zigerli zurück in den Backstage biegt, schluchzt er. Das ist ihm noch nie nach einer Show passiert. Er nuschelt einen Satz, mehr Wasserfall als Worte. «That was fucking amazing.»
Seine Freunde – jener harte Kern, der bei beinahe allen Shows dabei ist und produziert, organisiert, filmt oder fotografiert –, aber auch Mutter Renza, Vater Stefan, Bruder Sebastian und Schwägerin Christina, sechzehn Models, fünfzehn Make-up-Leute, dreissig Anziehhelfer und eine Gruppe von Presseleuten verstummen. Für jenen kurzen Moment, in dem man kollektiv einzuschätzen versucht, ob Tränen bejubelt oder allein gelassen werden wollen. Dann beginnt jemand zu klatschen, einer schreit, irgendwann heulen alle. Eines der Models wird später sagen, dass das die emotionalste Show seiner Karriere war. Dass, wenn ein Model nach einem Job weine, in der Regel fiese Schuhe dran schuld seien. Der Moment fühlte sich nach einem Wendepunkt in Julian Zigerlis Karriere an. Ein Wendepunkt, hinter dem unglaublich viel Logistik, Zeit, Manpower, Arbeit, Anspannung und Erlösung stecken.
Sechs Wochen Ausnahmezustand
Am Anfang war ein Anruf von «Vogue Uomo»-Modechef Robert Rabensteiner: Ob er, Julian Zigerli, Lust hätte, im grossen Spazio Armani zu zeigen. In sechs Wochen. Der 29-jährige an der Berliner Universität der Künste ausgebildete Zürcher Designer nahm die Herausforderung an: Von der italienischen Designerlegende Giorgio Armani ausgewählt zu werden, im Showvenue Spazio Armani die Herbst/Winter-Kollektion 2014/15, The One and Only, zeigen zu können, – eine sportliche, elegante Kollektion mit Honigwabendrucken des Pariser Grafikerkollektivs Golgotha –, dazu sagt man nicht Nein.
Das Angebot macht Giorgio Armani seit drei Saisons einem neuen Jungtalent, bis anhin ausschliesslich Italienern. Als erster Ausländer im Spazio Armani zu zeigen, ist also eine grosse Sache. Und für Julian Zigerli eine publicityfördernde Nachricht. Also vergrösserte der Designer in Windeseile seine zu kleine Kollektion um ein Regenmantelmodell, eine Kleiderbeuteltasche und Kreationen aus Dickstrick. Dafür musste er Stoffe nachbestellen, Mutter Renza half beim Nähen, das Team Zigerli bei den administrativen Vorbereitungen. Sechs Wochen Ausnahmezustand.
Nicht nur Julian Zigerli profitierte von Armanis Angebot: Italiens angekratztem Image in Sachen Nachwuchsförderung kann das auch nicht schaden. «Nennen Sie mir bitte einen Designer unter sechzig Jahren», pflegt Modekritikerin Suzy Menkes zu entgegnen, wenn sie auf Mailands Modenachwuchs angesprochen wird. Und es stimmt, auch wenn es ein wenig überspitzt formuliert ist: Giorgio Armani, Roberto Cavalli, Miuccia Prada und Donatella Versace sind trotz teilweise uneleganter Versuche, die Zeit operativ zurückzudrehen, schon alle um oder über sechzig.
Obwohl Mailand zu den vier Big Playern in Sachen Modemetropole zählt, hat die Stadt ihre Nachwuchsförderung – ähnlich wie Paris – verschlafen. So wurde in den vergangenen Jahren etwa das Designerduo Aquilano Rimondi immer wieder als Newcomer bezeichnet, obwohl die beiden Chefdesigner seit 1988 zusammenarbeiten und seit neun Jahren ihr eigenes Label führen. Zum Vergleich: In New York wurden bei den CFDA Awards in der Vergangenheit stets auch Neulinge wie Alexander Wang schnell in die Preisvergabe mit einbezogen. Und in der breiten Öffentlichkeit herrscht eine hemdsärmligere Beziehung zum Nachwuchs: In einer der beliebtesten TV-Shows im amerikanischen Fernsehen, «Project Runway», wird das aufregendste Nachwuchstalent gekürt.
In London werden junge Talente und Schulabgänger einerseits mittels der Förderungsplattform Fashion East in den Schauenplan der London Fashion Week eingeschleust. Weiter sorgt der Highstreetbrand Topshop für finanzielle und logistische Unterstützung, etwa mit dem Förderungspool Newgen (New Generation) und einer eigenen Showlocation. Und in Mailand? Dort riefen die italienische «Vogue» und deren Chefin und Visionärin Franca Sozzani mit «Who Is on Next?» vor neun Jahren einen Award ins Leben, der sich zu einem begehrten Preis gemausert hat.
Zumeist gab es Lob
Trotzdem ist es in den letzten Jahren mit Ausnahme einiger weniger Labels wie MSGM nicht vielen Neulingen aus Mailand gelungen, parallel zu Übermutter Prada, Dolce & Gabbanas mächtiger Italianità oder Cavallis sexy Girls einen anderen, mutigen – einen frischen Weg einzuschlagen. Nur die Branchensite WWD wird später Kritik an Julian Zigerlis Show üben: «Sehr wiederholend und nicht sehr schmeichelhaft.» Zumeist aber gab es Lob. «Es ist, als ob die Kollektion aus Wachs geformt wäre, eingeschweisst in Ewigkeit, damit die Schönheit nie verloren geht: eine hingebungsvolle Illusion», hiess es im Blog «The Kinsky». Und: «Julian Zigerlis Mode steht für praktische, smarte und technische Meisterwerke. Liebe, Farbe, Humor und eine positive Haltung fliessen durch seine Kollektionen.»
Die Mode ist schon eine verrückte Welt: Da zeigt jemand an der ehrwürdigen Mailänder Männermodewoche, und alle, sogar die wichtigste Modesite Style.com, kündigen die Show an, sodass schliesslich sogar das Schweizer TV-Format «Glanz & Gloria» davon Wind bekommt und einen Reporter nach Mailand schickt. Und doch hängen Julian Zigerlis Kollektionen noch in keinem Schweizer Laden ausser in der eigenen Ladengemeinschaft Temporär in Zürich. Kleider müssen nicht nur bewundert, sondern auch verkauft werden. Gut, dass ihn jetzt eine grössere Öffentlichkeit wahrgenommen hat. Das spornt an: «Ich entwerfe immer weiter, weil ich es liebe zu sehen, wie meine Kleider getragen – benutzt werden», sagt er. «Ich sehe sie und denke: Das habe ich kreiert, den kompletten Look.»
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