Die Bernerin Julia Saner war die Entdeckung von Paris und Mailand. Doch das Leben backstage bei Louis Vuitton, Gucci, Valentino & Co. ist kein Zuckerschlecken. Das Topmodel über ihre erste Catwalk-Saison, stundenlanges Umschminken und das Posieren hinter den Kulissen.
27 Mal! Kaum ein anderes Model war an den letzten Schauen so oft auf dem Laufsteg zu sehen wie sie. Die Bernerin Julia Saner war die Entdeckung von Paris und Mailand. Doch das Leben backstage bei Louis Vuitton, Gucci, Valentino & Co. ist kein Zuckerschlecken. Exklusiv erzählt die 19-Jährige hier, wie sie ihre erste Showsaison erlebte, warum sie nach dem Auftritt bei Givenchy in die Knie ging und wie Karl Lagerfeld über sie tuschelte.
Gucci
«Kurz vor der Show wurde ich für eine Anprobe im Atelier von Gucci gebucht. In Anwesenheit von Chefdesignerin Frida Giannini präsentierte ich mit zwei anderen Mädchen insgesamt hundert Looks, die für die Show auf vierzig reduziert werden sollten. Frida Giannini entschied mit strengem Blick, wo ein Gürtel wegmusste, ein Kleid gekürzt werden sollte, welches Outfit gar nicht passte. Man durfte nicht sprechen, keine Faxen machen. Zwei Tage lang zog ich mich von morgens um acht bis abends um acht immer wieder an und aus. Am Ende wurde ich für die Show gebucht.»
Model-WGs
«Die Mädchen schlafen übereinander in Kajütenbetten. Es gibt eine Aufseherin, Männerbesuch ist nicht erlaubt, und bleibt man länger als bis zwölf weg, muss man das anmelden.»
Lanvin
«Bei Lanvin sollten wir eigentlich extrem hohe Schuhe tragen und darin in hohem Tempo einen extrem langen Laufsteg runterschreiten. Doch nach der Hauptprobe wurden ein paar gestandene Models wütend und haben sich lautstark beschwert. Ich blieb still, denn ich bin ja neu. Dennoch war ich froh, dass wir am Ende flache Sandalen bekamen.»
Nervosität
«Sobald sie mich auf die Bühne schubsen, ist meine Nervosität weg. Weil die Beleuchtung so stark ist, sehe ich nicht, wer links und rechts in der Frontrow sitzt. Erst später erfahre ich das online und denke: Ach so, dieser oder jener Star war also da!»
Facebook
«Ich bekomme sehr viele Freundschaftsanfragen. Manchmal stresst mich das, weil ich allen antworten möchte. Natürlich ist es aber vor allem schön, weil die Leute mir gratulieren und sagen, sie seien stolz auf mich.»
Givenchy
«Die Schuhe bei Givenchy waren krass hoch und schwer. Und dann bekamen wir auch noch die Order, schnell zu gehen. Nach dem Gang über den Catwalk fiel jedes Model backstage sofort auf die Knie und kroch zu seinem Kleiderständer, um sich umzuziehen.»
Chauffeure und Motorbikes
«An den Tagen mit vollem Terminkalender lasse ich mich von einem Chauffeur von Show zu Show fahren. Mit einem Taxi oder der Metro könnte ich all die Schauen gar nicht schaffen. Manchmal habe ich auch einen Chauffeur, der mich auf dem Motorbike hinbringt.»
Lächeln tabu
«Niemand sagt dir: Du darfst nicht lachen. Das weiss man unter Models einfach. Vermutlich, damit man nicht von den Kleidern ablenkt.»
Cool bleiben
«Vor der Show muss ich ja zum Glück nicht gross etwas machen, einfach pünktlich da sein. Meist stecke ich mir Earplugs in die Ohren und höre über den iPod Musik von Nacho Sotomayor.»
Backstage-Fotografen
«Nach fünf, sechs Shows merkte ich: Das Fotografieren backstage gehört dazu. Mit der Zeit kennst du die Fotografen, fängst an, ihnen Hallo zu sagen und dann zackzack zu posieren. Wie man das macht, habe ich von den anderen abgeschaut.»
Gebleachte Brauen
«Für viele Shows wurden mir die Augenbrauen gebleacht. Ich liess sie mir danach immer gleich wieder zurückfärben. Leider habe ich erst zu spät gemerkt, dass die Profis das erst am Ende aller Shows machen. Meine Augenbrauen haben sich deshalb gelichtet.»
Freundinnen
«Zwei, drei Freundinnen habe ich unter den Models gefunden, ebenfalls Newcomerinnen. Aber generell ist das Verhältnis zu den anderen eher distanziert. Abends im Modelapartment sitzen alle vor ihren Laptops – und skypen mit ihren Freunden zuhause.»
Valentino
«Ich habe erst im letzten Moment erfahren, dass ich die Valentino-Show eröffnen würde und war sehr nervös. Insgesamt durfte ich drei Looks präsentieren. Meist trägt man nur einen oder höchstens zwei. Nach der Show haben mir dann die erfahreneren Models gesagt, die Chancen stünden gut, dass ich nun auch die Kampagne von Valentino bekäme. Und so war es auch. Mit Freja Beha und einem weiteren Model wurde ich von David Sims in einem ehemaligen Pariser Appartement von Karl Lagerfeld fotografiert.»
Louis Vuitton
«Ich wurde für einen letzten Make-up-Test vor der Show gebucht. Die Agentur sagte mir, der Job würde von zehn bis zwölf Uhr abends dauern. Immer wieder wurde ich umgeschminkt und musste mich vor Marc Jacobs hinstellen. Erst starke Augen und schwache Lippen, dann schwache Lippen und starke Augen. Mir wurden die Augenbrauen gebleacht. Schliesslich fanden sie heraus, dass er zu den gebleachten Brauen starke Augen und knallige Lippen in Megaviolett mit Gold darüber wollte. Da war es morgens um drei.»
Chanel
«Ein paar Tage vor der Show wurde ich zum Casting gerufen, danach zum Fitting. Das heisst aber noch nicht, dass du dann an der Show laufen kannst. Anna Wintour war beim Fitting von Chanel dabei, sie stand neben Karl Lagerfeld. Sie tuschelten, als ich vor ihnen stand. Ich musste im Kreis laufen. Dann sagten sie, okay, du bist dabei. Die Chanel-Show war das Highlight der Fashionwochen. Achtzig Models, extrem viele, das in einen Park umgestaltete Grand Palais – einmalig. Wir gingen auf Kies und ich war froh, dass ich flache Boots trug.»
Alexander McQueen
«Backstage wurden bis zum letzten Moment Kleider fertig genäht, das war der Hammer. Alles war handgemacht, alles so edel, selbst die Frisuren extrem aufwendig. Sie bestellten die Models bereits auf Mittag, obwohl die Show erst abends stattfand. Ich kam erst um sechs von der anderen Show. Aber die Haarstylisten haben es trotzdem geschafft, mir diese unglaubliche Flechtfrisur in Karomuster auf den Kopf zu zaubern.»
Paul & Joe
«Die letzte Show in Paris! Es hiess: Zeigt Fun, lacht, habt Freude, seid fröhlich und schaut ins Publikum. Das fand ich sehr schön.»
1.
Gucci
2.
Max Mara
3.
Valentino
4.
Valentino-Kampagne (by David Sims for Valentino)
5.
Louis Vuitton
6.
Chanel
7.
Alexander McQueen
8.
Auch bei den Beautylooks setzen die Labels auf das ebenmässige Gesicht von Julia Saner, hier Barbara Bui
9.
Dior
10.
Chanel
11.
Vanessa Bruno