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Jetzt haben wir sie am Hals

Jetzt haben wir sie am Hals

  • Text: Barbara Loop, Bild: Stocksy

Die Krawatte ist zurück auf dem Laufsteg. Was früher Provokation war, ist heute nicht mehr zeitgemäss. Geschlechter-Klischees sind Schnee von gestern, findet Lifestyle-Chefin Barbara Loop.

Miuccia Prada hat sie in Pastellfarben unter Pullovern hervorblitzen lassen, Dior präsentierte sie klassisch in Schwarz auf weissem Hemd, bei Dolce & Gabbana kommt sie mit Polkadots daher, ihre Spitze in eine Korsage gesteckt – und bei Togo setzt das konservative Stück förmlich das Ausrufezeichen hinter «die Idee des Schutzes in einer Zeit der Ungewissheit», die der Kollektion zugrunde liegt.

Die Krawatte für die Frau ist mal wieder zurück. Dabei hat sie doch ihren Dienst als Stilmittel des Crossdressings längst getan, war mal Provokation, bald nur noch Provokatiönchen: Marlene Dietrich musste sich ihrer noch in der Herrengarderobe bedienen, Diane Keaton kokettierte mit der Binde der Spiessigkeit im New York der Siebziger, Patti Smith als Punk, Madonna als Domina. Spätestens als Eurythmics-Sängerin Annie Lennox den Schlips in den Achtzigern streng geknotet trug, stand die Krawatte für den Look, den Frau sich aneignen soll, um ihre «Sweet Dreams» Realität werden zu lassen: die männliche Business-Uniform, die der Beststeller «Dress for Success» 1975 allen ans Herz legte, die Karriere machen wollten.

Aber mal ehrlich, ist dieses Überbleibsel des Powerdressings nicht Schnee von vorgestern? Müssen wir uns modisch wirklich noch an Geschlechter-Klischees abarbeiten und eine Uniform der Macht kopieren, von der es bald kein Original mehr gibt? Schliesslich ziehen ausgerechnet jetzt, wo die Womenswear-Designer die Krawatte zum Accessoire des Herbstes erklären, auch noch die letzten Männer den Kopf aus der Schlinge. Im September haben die Schweizer Grossbanken CS und UBS bekannt gegeben, den Dresscode ihrer Mitarbeiter zu überarbeiten. Künftig wird es in den CS-Filialen keine Krawatten mehr geben, heisst es. Selbst hier hat man also gemerkt, dass der Schlips nicht der seidene Faden sein kann, an dem Autorität und Kompetenz hängen.