Stil
Das Interview mit der annabelle award Gewinnerin Julia Winkler
- Interview: Christina Duss; Foto: Karin Heer
“Für mich das wahre Paradies”. Julia Winkler (26) aus Zürich gewinnt den diesjährigen annabelle award: Ein Praktikum bei der Pariser Designerin Barbara Bui.
ANNABELLE: Julia Winkler, bei der Preisübergabe waren Sie sprachlos, wirkten sogar ein wenig erschrocken …
JULIA WINKLER: (lacht) Der Award ist ja auch eine grosse Ehre, und als ich den Preis überreicht bekam, wusste ich erst einmal nicht, was ich sagen sollte. Merci vielmal? Danke für die Chance? Ich musste die Situation erst mal auf mich wirken lassen.
Was mögen Sie an Barbara Bui?
Ihre toll geschnittenen Kleider stehen für das, was ich an der Pariser Mode bewundere: diese einzigartige Eleganz. Bei Bui kauft man Sachen, mit denen man augenblicklich angezogen ist. Sie verpackt eine Frau ohne viel Drumherum, verliert aber nie deren Femininität aus den Augen. Ihre Looks sind ernst, aber schön ernst, und sie findet immer einen Dreh, der für Leichtigkeit sorgt. Von so einer Designerin kann man eine Menge lernen.
Warum könnte gerade Ihre Kollektion Barbara Bui überzeugt haben?
Ich denke, sie hat gesehen, dass ich mich mit Schnitten auskenne und mit Drapierungen umgehen kann. Und vielleicht hat sie gemerkt, dass es mir wichtig ist, genau zu arbeiten. Wenn du eine Mutter hast, die Schneiderin ist, bleibt dir auch gar nichts anderes übrig.
Sie schlagen den gleichen Weg wie Ihre Mutter ein.
Auf Umwegen. Ich war zwar immer mit dem Modehandwerk in Kontakt, habe aber Politologie studiert, weil ich eigentlich genau nicht dasselbe machen wollte wie sie. Irgendwann habe ich aber kapituliert und trotzdem ins Modefach gewechselt.
Was gab den Ausschlag?
Einerseits, dass ich die Aufnahmeprüfung für die Berliner Modeschule Esmod geschafft hatte. Die dreijährige Ausbildung war dann kein Spaziergang, eher ein Rennen, aber ich habe dadurch gelernt, dass ich durchaus ehrgeizig bin. Andererseits, wann ich an meine Grenzen stosse. Vor allem aber: dass ich mit Mode zu tun haben will. Das ist, was mich glücklich macht, mir Ruhe gibt. Modemachen ist das, worauf ich nie mehr verzichten möchte.
Wie gingen Sie denn an Ihre Abschlusskollektion heran?
Anders als andere. Viele Leute lassen sich von Visuellem inspirieren. Bei mir ist es das Gehörte – alles läuft über die Musik. Musik von David Lynch wie etwa das Album «Crazy Clown Time» habe ich nicht etwa zwanzig Stunden gehört, nein, fünf Monate, und zwar nonstop. Danach habe ich meine Eindrücke wie ein Puzzle zusammengestellt, erst später kamen auch visuelle Inspirationen hinzu. Von 1000 Ideen habe ich aber sicher 999 wieder verworfen.
Hört sich anstrengend an.
Im Gegenteil! Das ist für mich das wahre Paradies, wenn ich mein eigenes Ding machen kann. Komplett abschalten, in dieser Welt aufgehen.
Sie arbeiten zurzeit noch für das Label Thu Thu in London. Vermissen Sie die Schweiz?
Klar. Zürich wird immer ein Teil von mir sein, hier kann ich runterkommen. Modetechnisch bietet mir die Schweiz allerdings im Moment keine Zukunft. Es fehlt an Unterstützung für junge Modeschaffende, es gibt kaum Subventionen und ausser dem annabelle award kaum Preise. So geht man halt dorthin, wo es die besseren Möglichkeiten gibt. Als ich vor vier Jahren wegzog, hat meine beste Freundin drei Tage lang geheult. Sie wusste genau, dass ich nicht mehr zurückkomme.
Fotos von der Verleihung des 9. annabelle award und von den Mercedes-Benz Fashion Days Zurich.