Interior
So lebe ich: Ruth Kramer über ihr Tiny House in Vals
- Text: Linda Leitner
- Bild: Rita Palanikumar, Kunst: Peter Bonde, ProLitteris, Zürich
Nach dem Tod ihres Mannes erfüllte sich die Interiordesignerin Ruth Kramer den Traum vom Minimalismus: Ein Stall in Vals wurde zu ihrem Tiny House.
annabelle: Was ist das Schöne an einem Tiny House?
Ruth Kramer: Ich hatte schon als junge Frau dieses klare Bild von einem weissen Bett an einem Fenster vor mir – mit fast nichts um mich herum. Less is more.
Was ist die Geschichte dieses Hauses?
Es handelt sich um einen typischen Valser Stall, wie sie hier überall zu finden sind. Mein verstorbener Mann Thomas und ich haben ihn zusammen mit dem Nachbarhaus gekauft. Während ich den Minimalismus mag, mochte er die Menge. Mein Mann starb und die ersten Monate nach seinem Tod wusste ich nicht, wo ich ohne ihn wohnen wollte. Ich verkaufte alles und zog in eine Zwanzig-Quadratmeter-Wohnung. Das war eine gute Übung, um darüber nachzudenken, was ich brauche, um glücklich zu sein. Den Stall habe ich schliesslich in acht Monaten umgebaut.
Was war das Erste, das Sie am Haus gemacht haben?
Das bunte Fenster, das ich gemeinsam mit einem Glaser aus Chur entworfen habe. Es macht mich glücklich, das Farbmuster zu sehen, wenn die Sonne reinscheint. Es mag spirituell klingen, aber ich wollte sicher sein, dass Thomas mit einzieht. Das blaue Glas steht für ihn, Rot bin ich, Rosa ist meine Tochter, Gelb meine Enkelin. In der Mitte ist noch Platz für etwas Neues.
Ihr Einrichtungsstil in wenigen Worten?
Skandinavisch, still, hochwertig, persönlich. Ich habe lange in Dänemark gelebt, das hat mich geprägt.
Welches ist Ihr Lieblingsplatz im Haus?
Ich hatte mir dieses Haus lange ausgemalt und es ist genau so geworden, wie ich es mir erträumt hatte. Ich mag wirklich jede Ecke – egal ob ich in meinem Papa Bear Chair sitze, ob ich arbeite, dem Bach zuhöre oder mich an die warme Rückwand des Ofens kuschle und aufs Dorf blicke.
Ihr liebstes Kunstwerk im Haus?
Das Bild des dänischen Künstlers Peter Bonde, das ich mir selbst zum Geburtstag geschenkt habe. Es ist optimistisch, girly, aber auch mystisch.
Wie beeinflusst Ihr Einrichtungsstil Ihre Arbeit?
Die Ruhe lässt mich schnell und effektiv sein.
Haben Sie etwas geerbt?
Nicht geerbt, aber gesammelt. Ich liebe Keramik und Kurioses. Da ist zum Beispiel die Figur eines turnenden Menschen, die ich von einer Freundin bekommen habe, die sagte: «Ruth, du kannst alles, sogar auf dem Kopf stehen.»
Drei persönliche Einrichtungstipps?
Reduzieren, reduzieren, reduzieren. Und gönnen Sie sich ein gutes Bett mit schöner Bettwäsche. Gut schlafen ist einfach wichtig. Ich produziere meine Leinenbettwäsche und die für die «Brücke 49» selbst.
Wovon träumen Sie noch?
Davon, einen noch archaischeren Raum, der noch simpler und leerer ist, auszubauen.
Zur Person
Von wegen Luftschlösser bauen: Ruth Kramer (65) lebt seit November 2022 in ihrem kleinen Traumhaus im Kanton Graubünden. Seit sie 24 ist, bewegt sie sich in der Modeindustrie, heute teilt sie ihren skandinavisch geprägten Sinn für Ästhetik als Interiordesignerin und Gastgeberin im Bed & Breakfast Brücke 49 in Vals.