Hund und Strand
- Text: Katharina von der Leyen
Plantschen in Usedom.
Hundebesitzer wissen: Museumsbesuche fallen flach (der Hund darf ja nicht hinein), Städtereisen kommen nicht in Frage (wer hat denn noch einen Überblick, in welchen Städten und Ländern Leinenzwang herrscht? Ist das Hotel in der Nähe eines Freilaufgebiets?), alte Hunde amüsieren sich wenig bei Bergtouren, weil das Gelände häufig steinig und unwegsam ist, während jüngere Hunde Abwechslung und ein entspanntes Sportprogramm erwarten.
Meine Hunde reisen gern; sie schätzen es, der alltäglichen Routine zu entkommen. Weil sie zu viert sind, ist es allerdings so, als wäre man mit einem Wanderzirkus oder einer Pauschalreisegruppe unterwegs: Es ist unmöglich, es allen recht zu machen. Meine schwarze Pudelhündin Luise wünscht sich eine Art Eichhörnchencamp mit ein paar Wühlmäusen als Beilage, der braunen Pudelin Ida ist alles recht, solange in der Umgebung für möglichst viele tote Maulwürfe und Vögel, Igelkot, Kuhfladen und halbverweste Mäuse gesorgt ist. Windspiel Harry träumt von einer möglichst menschenleeren Umgebung mit einigen wenigen Velofahrern, die sich zu seiner Zerstreuung verfolgen lassen, während Fritz ein ausgedehntes Wühlprogramm möchte, mit möglichst vielen anderen Hunden, spannenden fremden Menschen und guten Betten. Und ich will bloss meine Ruhe.
Man glaubt es kaum, aber es gibt diesen Ort, der allen gerecht wird. Einen paradiesischen Ort, der einen atmen lässt und den Blick auf einen Horizont richtet, der weiter ist, als das Auge reicht, einen Ort, wo es mehr Natur als Menschen und Häuser gibt, mit Süsswassermeer (denn die Hunde wollen ja trinken), mit Stille und Seeadlern: Der Ort heisst Usedom und ist eine Insel in Ostvorpommern mit 42 Kilometer feinem weissem Sandstrand, gesäumt von wundervoller Gründerzeitarchitektur.
Usedom ist kein Geheimnis, aber weil es irgendwie nicht mondän, sondern vor allem schön ist, bleibt die Hautevolée lieber auf Sylt und starrt den Nachbarn in die Teetasse, sobald sie den Blick hebt, denn auf Sylt ist es sehr eng.
Auf Usedom nicht – jedenfalls nicht, wenn man nicht direkt in den Sommerferien fährt, denn dann kommen natürlich alle, und dann wird es vielleicht doch ein bisschen voll. Vor ihnen kamen schon Kaiser Wilhelm II., Maxim Gorki, Kurt Tucholsky, Theo Lingen, Heinrich Mann und überhaupt die gesamte Berliner Szene der Jahrhundertwende – man nannte Usedom denn auch die Badewanne Berlins. Die eleganten Sommerresidenzen in den drei Kaiserbädern Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin sind heute ausnahmslos liebevoll restaurierte Hotels,
Pensionen oder Ferienwohnungen.
Wir wohnten im altmodisch-eleganten Fünfsternehotel Ahlbecker Hof, in dem auch schon Kaiser Franz Joseph I. von Österreich wohnte, direkt an der Strandpromenade mit Blick übers Meer. Meine Hunde fühlten sich auch sofort wie von Hochadel und nahmen die Liebesbeweise des wunderbaren Hotelpersonals mit huldvoller Anmut hin. Anschliessend beschäftigten wir uns mit den Sehenswürdigkeiten – zu denen natürlich die unglaublich sauberen Hundestrände gehörten. Es gibt davon immerhin elf auf Usedom – in Ückeritz, Kölpinsee, Koserow, Zempin, Zinnowitz, Trassenheide, Karlshagen und Peenemünde und einen in jedem der drei Kaiserbäder – immer weit hinten, gleich neben den FKK-Stränden, aber Hundebesitzer sind ja gewohnt, dass sie als Randfiguren der Gesellschaft missverstanden werden (rätselhaft bleibt dennoch, weshalb gerade die Menschen, die figürlich durchaus von einem gut geschnittenen Badeanzug profitieren könnten, sich stattdessen am liebsten aller Kleidung entledigen: Jemanden mit dem Körper einer Gisele Bündchen habe ich noch nie an einem FKK-Strand gesehen).
Wie dem auch sei: Wir machten einen langen, entspannten Spaziergang über die Strandpromenade. Irgendwann wird sie waldig-schattig, etwa in Höhe eines architektonisch wunderschönen ehemaligen «Kinderheims für benachteiligte Kinder», das Wilhelm II. 1912 gegründet hatte und das heute ein Ferienheim für die Berliner «Sportjugend» ist: Noch ein Stück weiter in Richtung Polen kommt der Hundestrand. Meine Hunde waren begeistert. Sie rannten, sie tollten und spielten, bis sie sich kaum noch bewegen konnten, während ich völlig entspannt im Strandkorb sass und von weitem zusah; und nachdem ich die todmüde Bagage zurück ins Hotel gebracht hatte, erlaubte ich mir eine Massage im Hotel-Spa. Usedom ist eine Insel der Spas, sogar eine eigene Jod-Heiltherme gibt es: Es ist praktisch unmöglich, nicht deutlich verschönert nach Hause zu kommen.
Hunde sind praktisch überall willkommen – direkt in den Kaiserbädern sollen sie angeleint bleiben, aber für kurz zwischendurch sind überall Grünanlagen, in denen sie laufen können, und ich joggte morgens früh um halb acht mit den Hunden von der Ahlbecker Seebrücke (von 1899, deren historische Bausubstanz noch immer erhalten ist) am Strand entlang zum Hundestrand (natürlich nicht ohne jegliche Hinterlassenschaften umgehend zu entfernen), ohne dass irgendjemand auch nur komisch geguckt hätte. Im Hinterland der Insel lässt sich wunderbar spazieren gehen oder Velo fahren, durch kathedralenartige Lindenalleen, an alten Kirchen vorbei zu den vielen Seen und Wasserkanälen mit Reihern, Seeadlern und gewaltigen Hasen. Und zu ihrer Begeisterung fand Ida ganz frische Kuhfladen von den grossen Rinderherden, die der Firma Hipp gehören und hier jahraus, jahrein praktisch frei in dieser völlig gesunden Natur leben. Nichts für Hunde, aber für Kinder und durchaus sehenswert sind die grösste Schmetterlingsfarm Europas in Trassenheide, in der über 2000 Schmetterlinge in Regenwaldklima herumflattern, oder der Kletterwald, in dem man sich tarzanähnlich von Baum zu Baum schwingen und anschliessend mit bestandenen Mutproben prahlen kann.
Ich glaube tatsächlich, ich weiss keinen besseren, entspannteren Ort für Ferien mit Hund, an dem der Mensch sich gleichzeitig so gut um sich selbst kümmern kann. Ausser bei meiner Mutter.
Romantik Seehotel Ahlbecker Hof
Dünenstrasse 47, Seebad Heringsdorf
Ortsteil Ahlbeck, Usedom
Tel. 0049 38 37 86 20
www.seetel-resorts.de
DZ Hochsaison mit Frühstück ab 280 Franken
Infos: Usedom Tourismus, Tel. 0049 383 78 47 71 20, www.usedom.de
Katharina von der Leyen ist freie Autorin und schreibt regelmässig für das Hundemagazin «Dogs»; sie lebt in Berlin
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Katharina von der Leyen und ihre vier Vierbeiner.