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Hund und Berg

Hund und Berg

  • Text: Evelyne Emmisberger

Gipfelsturm im Rudel.

Ich kenne keinen Menschen mit Hund, der nicht mindestens ein Paar Wanderschuhe sein Eigen nennt, und zwar weder zur Dekoration noch zur Manifestation naturverbundener Gesinnung. Dem Hundebesitzer ist das Wandern inhärent, ist doch sein tierischer Freund eine Permanentforderung auf vier Pfoten: Komm, lass uns noch eine Runde drehen! Die Halbwertszeit unserer Wanderschuhe jedenfalls liegt dank guter Pflege bei rund zwei Jahren.

Dennoch trifft man erstaunlich wenig Hunde in den Bergen, seit je doch des Wanderers bevorzugtes Terrain. Liegt es daran, dass Hunde in den meisten SAC-Hütten nicht willkommen sind? Am mit Futter, Napf, Spielzeug und Zusatzwasser zu schweren Rucksack? An der Angst vor Kühen? Während ich noch über diese Frage rätsle, kurvt der Bus von Sargans mit seinen gefühlten 40 Grad im Schatten hinauf ins Weisstannental. Eigentlich wollten wir diesen Abschnitt zu Fuss bewältigen, verzichten aber darauf. Zu heiss für Riesenschnauzer Rüedu und Kromfohrländer Flo in ihren Pelzmänteln.

Nach einer Nacht im hundefreundlichen Hotel Gemse (der praktische Linoleumboden im Zimmer verzeiht das kleine Malheur mit dem Wassernapf) nehmen wir den Foopass, die erste Etappe der berühmten Alpenpassroute, unter die Füsse und Pfoten. Die Strecke führt durch Wälder und über Alpen, entlang einem wilden Gebirgsbach und vorbei an spektakulären Wasserfällen – wunderbare Tankstellen für kühle Erfrischungen. Begeistert erkunden unsere Hunde die Terra incognita alpina, schnüffeln sich durch Kuhfladen und Blumenwiesen, machen Bekanntschaft mit ein paar Kühen und einem Blauringlager, mit Mulis und zwei Kettenhunden auf der Alp Foo sowie mit einigen wenigen anderen Wanderern. Hier gilt Safety first, selbstverständlich nehmen wir die Hunde bei jeder Begegnung an die Leine. Aber meistens haben wir die Bergwelt für uns allein, ganz wie es uns gefällt: Rüedu und sein Kumpel Flo plantschen im Gebirgsbach und verbreiten ganz allgemein so viel ansteckende Hundefreude, dass man nicht anders kann, als mitzutollen, sich unbändig mitzufreuen.
Und genau das ist des Pudels Kern: Wenn Wandern in den Bergen glücklich macht, dann macht Wandern in den Bergen mit Hund glücklicher. Die fantastische Eigenschaft von Rüedu, im Hier und Jetzt zu leben und ausschliesslich den Moment zu geniessen, wenn sich also 45 Kilo pure Freude wohlig zwischen Enzian und Männertreu wälzen, lässt das auch Kopfmenschen wie mich Gestern und Morgen vergessen. Es katapultiert direkt in einen Zustand einfältiger Glückseligkeit. Leider funktioniert der canide Katalysator auch andersrum. Ein schriller Pfiff ertönt, und ich denke eine Millisekunde lang, ach wie schön, Murmeltiere. Dann brülle ich meinem davonpreschenden Riesenschnauzer hinterher. Seine Neigung, sich von Murmelipfiffen persönlich angesprochen zu fühlen, bringt Rüedu zurück an die Leine, der Hundefrust ist gross, der Hundeblick signalisiert glasklar: Du e-len-der Spielverderber! In missmutiger Eintracht stapfen wir nebeneinander. Ein Stimmungskiller, wenn auch nur ein temporärer. Denn ich kenne unseren verfressenen Hund. Ein paar Hundeguetsli aus dem Hosensack später reift die Erkenntnis, es gibt Schlimmeres, als an der Leine laufen zu müssen. Zum Beispiel ein Gewitter. Glücklicherweise sind wir schon kurz vor dem Ziel in Elm, als es über uns hereinbricht. Rüedu und Flo ziehen ihre Schwänze bis unter den Bauch ein. Als auch noch Hagel auf uns herunterprasselt, sind die beiden zwei zitternde Häufchen Elend. Jetzt natürlich mit Katastrophenblick! Ich bin hilflos gegenüber dem machtvollsten Instrument, mit dem die Evolution die Hunde ausgestattet hat, nass bis auf die Unterhosen und fühle mich furchtbar.

Später im Zug, die Hunde sind trockengerubbelt und befinden sich mit einer Extraportion Futter im Bauch bereits im komatösen Tiefschlaf, ziehen auch wir uns trockene Klamotten an (man beachte die Reihenfolge), genehmigen uns ein Bierchen – nie schmeckt es besser als nach einer Bergtour –, und ein Grinsen stiehlt sich auf unsere Gesichter: Hey, war aber trotzdem Hammer, oder? Klar war es das.

Wanderung
Von Weisstannen-Vorsiez SG (1176 m) über den Foopass (2223 m) nach Elm GL (977 m), 7 Stunden

Hotel Gemse
Weisstannen
DZ mit Frühstück 50 Franken pro Person
Hund 10 Franken pro Nacht
www.weisstannen.ch

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1.

Vier Wandervögel auf zwölf Beinen: Der Aufstieg zum Foopass hat Riesenschnauzer Rüedu geschafft…

2.

…da kommt so eine Liegewiese gerade recht.