Hier ein Riss, da ein Loch: Die stellvertretende Chefredaktorin Jacqueline Krause-Blouin über Jeans, die auch kunstvoll zerfetzt einfach nur kaputt aussehen.
Es gibt Trends, es gibt Strömungen, es gibt Tendenzen in der Mode. Und es gibt Irrtümer, die sich hartnäckig in den Köpfen der textiltragenden Masse halten. Die Annahme, dass zerfetzte Jeans cool seien, ist so ein Irrtum. Obwohl diese Art von Beinkleid selten auf High-Fashion-Laufstegen auftaucht, scheint die Nachfrage danach endlos zu sein. Es ist beinahe einfacher, ein gutes U2-Album zu finden als intakte Jeans im Warenhaus. Sie sind nämlich alle total «distressed», «all-over shredded», «feathered» oder «destroyed» – alles Adjektive, die von Jeansherstellern verwendet werden, nur um zu beschreiben, dass ihre Hose Löcher hat.
Rational gesehen ist diese modische Entgleisung schwer zu begreifen. Wer sah denn zuletzt gut aus in zerrissenen Jeans? Es muss Kurt Cobain Anfang der Neunziger gewesen sein. Zu Grunge-Zeiten hatten absichtlich kaputte Jeans aber wenigstens eine politische Bedeutung – ein «Fuck you!» ans Establishement. Was soll die Message heute sein? «Ich bin total real, weil ich eine maschinengefertigte Löcherhose kaufe»? «Ich bin so wild, dass ich meine Hose gestern Nacht zerrissen habe, und auch noch so cool, dass ich es nicht mal gemerkt habe!»? «Ich pfeife auf Wohlstand! » kann es nicht sein, denn grundsätzlich gilt ja, je mehr «distresste» Löcher – also je weniger Denimstoff –, desto teurer die Hose.
In Fashionblogs und Zeitschriften wird schon länger über Shredded Jeans philosophiert. Meistens aber geht man dort der Frage nach, ab wann man zu alt für selbige sei. Lassen Sie mich diesen Irrtum ein für alle Mal aus der Welt räumen: Es geht nicht ums Alter! Eine Sechsjährige sieht in maschinengeschredderten Jeans genauso blamabel aus wie meine Oma. Und die DIY-Variante ist keinen Deut besser. Absichtlich Löcher in seine Jeans zu reissen, ist das Gegenteil von Rock’n’Roll, nämlich der Gipfel der Dekadenz