So wohnt eine leidenschaftliche Kunstsammlerin mit ausgeprägtem Stilbewusstsein.
Das Zuhause der Kosmetik-Unternehmerin Terry de Gunzburg verrät die leidenschaftliche Sammlerin. Und eine Frau mit Stil.
Kinder, Kosmetik und Kunst heissen die drei grossen K im Leben der Terry de Gunzburg. Sie alle haben viel Raum im Haus der de Gunzburgs im schicken Londoner Stadtteil South Kensington.
Fast vergisst man, dass die Epizentren Oxford Circus und Piccadilly Circus nur ein paar Tube-Minuten entfernt sind. Statt hektischem, urbanem Zirkulieren ist in dieser Ecke von South Kensington noble Provinzialität angesagt. Die Strassen nennen sich Mews, Gardens oder Terrace und umrahmen oft im Carré kleine Parks und Rasenflächen.
Aus gelben Backsteinmauern und nahtlos aneinandergebaut, strahlen die Häuser ein gewisses Understatement aus. Gleichzeitig lassen sie jedoch keinen Zweifel daran, dass man es hier nicht mit schnöden Reihenhäusern zu tun hat. Zu herrschaftlich wirken die schmiedeeisernen Zäune und die schneeweissen Säulen vor der Tür. Die tragen den Balkon im ersten Stock und eine von ihnen die aufgemalte schwarze Hausnummer. Am Domizil der de Gunzburgs sogar mit Strassennamen.
Ein Mann mit schwarzweiss gestreifter Schürze öffnet die Tür, wie sich später herausstellt, heisst er Emanuel und ist der französische Koch. Madame komme gleich, erklärt er und führt den Gast in den Wohnraum. Madame –das ist Terry de Gunzburg, die als Erfinderin des legendären «Zauberstabs» Touche Éclat, eines Concealers mit Pinselspitze, Kosmetikgeschichte geschrieben hat. Das war während ihrer Zeit als Visagistin für Yves Saint Laurent. 15 Jahre lang prägte sie die Make-up-Looks für dessen Haute-Couture-Schauen und kreierte neue Farbpaletten und Produkte. Mit Saint Laurents Rückzug aus dem Berufsleben verliess auch sie das Couture-Haus, gründete ihre eigene Kosmetiklinie By Terry und zog nach London. Mitgenommen aus der Zeit bei Saint Laurent hat sie das Wissen um das Geheimnis seiner Farben und die tiefe Freundschaft zu Jacques Grange, dem Innenarchitekten, der alle Häuser des Modedesigners einrichtete.
Mit seiner Hilfe haben Terry de Gunzburg und ihr Mann Jean, ein bedeutender Krebsforscher, ihr Londoner Haus mit einer eklektischen Hitparade von Kunst und Design des 20. Jahrhunderts gefüllt, welche ihre gemeinsame Liebe zu Farbe, Handwerk und Humor widerspiegelt.
Die Hausherrin betritt den Raum, als ich gerade eine Tragtasche mit Chanel-Logo mustere, die auf einem der Couchtische steht, gleich neben einem Tablett mit Teegeschirr und Madeleines. Die Ausbeute eines Ausflugs zur Chanel-Boutique in der Old Bond Street, nehme ich an, werde aber gleich eines Besseren belehrt. «Eine Bronzeplastik von Sylvie Fleury», erklärt Terry de Gunzburg lächelnd. Und fügt hinzu: «Jedes Stück in diesem Haus ist eine Herzenssache, ein Coup de foudre, und aus einem Impuls heraus erstanden. Mein Herz hängt genauso an den grossen Namen wie an den Unbekannten. Ich nenne es Bohemian Glamour, wenn ich Stücke wie dieses mit den beiden Amethysten mische.» Sie deutet erst auf das grossformatige kubistische Gemälde in blau-violetter Farbgebung, welches das gleich danebenhängende, ikonenhaft e Frauenporträt von Picasso fast in den Schatten stellt, dann auf zwei grosse Amethystdrusen auf dem Boden. «Die stehen zwar für gute Energie, entsprechen aber bestimmt nicht den Regeln der Haute Décoration, was mir ausserordentlich egal ist. Denn ich hasse die Haute Décoration!», ereifert sie sich. «Bei mir stehen die Dinge zusammen, wie sie für mich harmonieren.» Es gebe nur einen roten Faden, der sich durch alles durchziehe: die Qualität. Und die habe nichts mit dem Preis zu tun, sondern viel mehr mit Herz und Handwerk. Davon zeugen auch die Möbel, praktisch ausschliesslich Einzelstücke, die sie an Auktionen erstanden hat.
Der grosse Raum nimmt fast das gesamte Parterre ein. Weil den de Gunzburgs ein englisches Herrenhaus mit Loftcharakter vorschwebte, wurden im Haus erst einmal sämtliche Wände niedergerissen, die das traditionelle Gebäude in viele kleine Räume unterteilt hatten. Für den britischen Touch sorgen nun etwa die beiden grünsamtenen Chesterfield-Sofas, die Jacques Grange speziell für diesen Raum entworfen hat. Er war es auch, der den wunderschönen Boden des Parterres fand. Die schwarz glänzenden Steinplatten stammen aus einem Schloss im elsässischen Turenne. Jetzt geben sie dem Inneren des Hauses etwas Gewachsenes, Authentisches und erden es im wahrsten Sinne des Wortes. Genau wie das Cheminée, in dem eine grosse Zahl weisser Altarkerzen aufgestellt ist. Auf die Idee kam Terry de Gunzburg, weil echtes Cheminéefeuer nicht erlaubt ist und sie sich zu einem elektrischen nicht durchringen konnte. «Die Kerzen geben ein wundervolles Licht, und sie wärmen auch.» Der rückwärtige Teil des Raums mutet wie ein Wintergarten an. Zwei Terrassentüren rahmen das Erkerfenster ein, durch das man in den Garten sieht. Innen schaff en etliche Blumentöpfe mit weissen Orchideen einen Übergang zum grünen Ausblick. Inmitten der echten Blumen schillert eine Orchideenpflanze aus patinierter Bronze, eine Plastik des britischen Künstlers Marc Quinn.
Inzwischen sind wir im ersten Stock angekommen, wo vier Marilyn-Monroe-Porträts aus dem berühmten Last Sitting mit Bert Stern den Weg ins Schlafzim mer weisen. Auch hier hängt und steht überall Kunst. Zeichnungen von Kees van Dongen und Henri Matisse bilden den luftigen Gegenpol zu einem Picabia-Gemälde in satten, starken Farben. Auf dem Boden darunter steht ein üppiger Strauss weisser Rosen. Von ihrem Mann: Jeden Freitag, seit nunmehr 17 Jahren, stelle er – persönlich, betont Terry de Gunzburg – ein Rosenbouquet für sie zusammen. Auch der Matisse war ein Geschenk ihres Mannes, zu ihrem vierzigsten. Teilen sie und ihr Mann immer denselben Geschmack? «Mal ja, mal nein. Mein Mann kann zum Beispiel diese Chinoiserie nicht ausstehen, die kleinen Porzellanobjekte aus dem 17., 18. oder 19. Jahrhundert. Ich aber liebe es, solche Stücke aus der Vergangenheit mit anderen Objekten aus anderen Zeiten zu mischen. Jean dagegen mag es manchmal sehr modern, fast roh. Er kaufte eine Richard-Serra-Eisenskulptur, die aussieht, als hätten Bauarbeiter sie im Haus vergessen. Doch zu 98 Prozent sind wir uns in diesen Dingen einig.»
Im ersten Stock befi nden sich auch die Zimmer der 13- und 15-jährigen Söhne, die gerade in der Schule sind. Im Lycée Français, gleich um die Ecke. Unsere nächste Station aber ist das Badezimmer. Kunstvoll gravierte Spiegelflächen reflektieren das Sonnenlicht und lassen den Raum von innen her strahlen. «Ich wollte, dass das Badezimmer etwas ganz Besonderes wird», erzählt Terry de Gunzburg sichtlich stolz. «In der französischen Tradition ist das Bad der Ort, der die Persönlichkeit der Bewohner widerspiegelt, wie die Badezimmer von Jeanne Lanvin oder Elsa Schiaparelli. Meines ist ein Mix aus venezianischem und Wiener Stil, gewürzt mit einem Hauch Maharani.» Es ist eindeutig der Ort der Hausherrin. Genau wie das Ankleidezimmer nebenan. Beide Räume sind inspiriert vom Art-déco-Künstler Armand-Albert Rateau. Die deckenhohen Schranktüren des Ankleidezimmers sind mit handgeprägtem Leder verkleidet und in Silber- und Goldtönen bemalt. Selbst die Scharniere sind Unikate und in aufwendiger Handarbeit gefertigt.
Zum Arbeiten hat Terry de Gunzburg feste Orte und Rituale. Jeden Morgen um acht ruft das Pariser Büro an. Zum Briefing. Dann setzt sie sich an einen kleinen Tisch im Schlafzimmer, mit Laptop, Telefon und einer Kanne Tee. Auch im Ankleidezimmer steht ein kleines Pult. Hier, im perfekten Tageslicht, begutachtet Terry de Gunzburg etwa neue Farbmuster. Später sitzt sie auf einem der beiden grünen Chesterfield-Sofas im Parterre. Dort trinkt sie ihren Cappuccino und telefoniert mit Paris oder New York.
Obwohl der loft artige Wohnraum im Parterre das Zentrum des Hauses ist, schlägt sein Herz ein Stockwerk tiefer, im sogenannten Family Room. Hier isst man morgens und abends gemeinsam. Hier wird gelesen, gespielt und ferngesehen. Ein grosser Esstisch und ein Billardtisch teilen sich die eine Hälfte des Raums. Die andere lädt mit einem riesigen hellen Sofa, hochflorigen Teppichen in grafischen Schwarzweissmustern und einem gigantischen Fernseher zum Faulenzen ein.
Und genau hier im Souterrain spielt sich ein perfekter Abend zuhause à la Terry de Gunzburg ab: «Ein Tête-à-tête mit meinem Mann, ohne die Kinder, bei einer guten Flasche Wein und einem köstlichen Käseteller. Dann zusammen auf dem Sofa sitzen und einen Schwarzweissfi lm anschauen, mit einem Glas Armagnac und einer Kaschmirdecke. Jetzt, wo die Kinder im Teenager-Alter sind und ihre eigenen Pläne haben, kommen wir samstagabends öft er in diesen Genuss. Es ist fast, wie selbst wieder Teenager zu sein.»
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Die Schranktüren sind mit handgeprägtem Leder verkleidet: Edles Ambiente im Ankleidezimmer der Hausherrin
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Zerbrechliche Preziosen: Diese Gläser liess Terry de Gunzburg nach ihren Vorstellungen in Italien fertigen
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Charmanter Mix im Wohnzimmer: Ein klassisches Chesterfield- Sofa, ein luftiger Beistelltisch und ein uralter Steinboden
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Die Sammelleidenschaft der Hausbewohner zeigt sich auch im Gästezimmer
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Viva la Diva! Hommage an Marilyn Monroe. Die Bilder wurden kurz vor ihrem Tod von Bert Stern aufgenommen
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Eine schneckenhausförmige Treppe verbindet die fünf Stockwerke des Hauses
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Teenager-Reich: Terry de Gunzburg hat zwei Söhne im Alter von 13 und 15
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Tafelfreude: Der geflieste Esstisch im Souterrain
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Gleich eine ganze Serie der opulent inszenierten Fotografien von Gregory Crewdon ist im Familienraum zu bewundern, ausserdem Häkelkunst am Krebs der jungen portugiesischen Künstlerin Joana Vasconcelos