Ein Alfa Romeo bedeutet vor allem Fahrspass. Geht das auch als SUV? Autorin Evelyne Emmisberger hat den neuen Stelvio Probe gefahren.
Mein erstes Auto habe ich mir 1986 gekauft. Zum Glück war ich so unvernünftig, jeden elterlichen Rat (Vernunft, Mädchen!) in den Wind zu schlagen. Denn das erste Auto ist fast wie das erste Mal Sex, eine Erfahrung von explizit singulärem Charakter mit garantiertem Nostalgiepotenzial. Ich kaufte mir für 3200 Franken einen Alfa Romeo Sprint Veloce, Jahrgang 1979, in (bitte jetzt tapfer sein): Kermit-Grün métallisé. Mein Alfa hatte Charakter, Macken und natürlich rostete er mir unter dem Hintern weg, das gehörte damals zum State of the Art. Aber wenn sein 1.5-Liter-Motor auf Touren war – was für ein Sound, was für eine Macchina! Ich flattierte ihm mit Zwischengas beim Runterschalten im Winter, und er dankte es mir mit gelegentlichen Trotzanfällen, kollabierte bei jedem zweiten Rotlicht oder verweigerte bei Regen den Scheibenwischerdienst. Ich verzieh ihm alles, denn er war meine erste grosse Autoliebe (übrigens auch meine einzige).
Deshalb war ich mehr als interessiert, als auf der Redaktion eine Testerin für einen Alfa Romeo gesucht wurde. Ich drängelte mich rücksichtslos in die Poleposition, eine Alfista kann da leider keine Rücksicht nehmen. Und dann mein Treffen mit dem Alfa Romeo Stelvio, dem ersten SUV der Marke. Ganz ehrlich? Er sieht aus wie ein … SUV. Um darin die elegante Linienführung der Marke wiederzufinden, braucht es ziemlich viel Goodwill. Und auch vom Motor erinnerte nur ein sanftes Röhren daran, dass man nicht in einem x-beliebigen Wagen sitzt. Doch als ich seinen DNA-Schalter (Dynamic, Natural, Advanced efficiency) aufs sportliche D stelle, reagiert er sofort. Seine Steuerung, Dämpfung und Gasannahme wird straff, das Handling direkter und schon verstehen wir uns: Hallo, Alfa!
Ich bin mir nicht sicher, ob die Welt auf einen SUV von Alfa Romeo gewartet hat, aber falls ja, dann haben die Ingenieure mit dem Stelvio einen guten Job gemacht. Bei meiner Testfahrt auf den Passo dello Stelvio im Südtirol – wohin sonst? – lässt er keine Zweifel über seine Herkunft aufkommen. Er hat auch in der 280-PS-Version (den Stelvio Quadrofoglio mit 510 PS hat man mir wohl doch nicht ganz zugetraut) genügend Pfupf und weiss ihn auf die Passstrasse zu bringen. Er eiert nicht in den Kurven, kurz, er fährt sich fast wie ein sportliches Coupé. Nicht schlecht für seine beträchtlichen Ausmasse. Auch im Cockpit ist die italienische Designtradition spürbar: klassisch, reduziert und mit dem typisch röhrenförmig untergebrachten Tacho- und Tourenzähler. Moderne Assistenzsysteme und elektronische Gadgets ergänzen die Ausstattung. Die sind nett zu haben, aber für Alfistas nicht zentral. Denn im Mittelpunkt stand und wird immer stehen: der Fahrspass.
Ungern habe ich den Stelvio wieder hergegeben. Ich habe mich viel zu schnell an den Grossen gewöhnt, an seinen Komfort, sein Temperament, seine Power. Und an das berühmte Cuore Sportivo, das für kurze Zeit nur für mich geschlagen hat.
Modell: Alfa Romeo Stelvio Q4 First Edition
Motor: 4-Zylinder-Turbo
Fahrleistung: 280 PS, von 0 auf 100 km/h in 5.7 s
Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h
Masse: Länge 4.687 m, Breite 1.903 m, Höhe 1.671 m
Leergewicht: 1660 kg Kofferraumvolumen: 525 l
Benzinverbrauch: 7 l/100 km
CO2-Emmission: 161 g/km
Energieeffizienz: F
Preis: ab 64 900 Franken
Infos: alfaromeo.ch