«Comfort»: 3 Rezepte aus dem neuen Ottolenghi-Kochbuch
- Text: Evelyne Emmisberger
- Bild: DK Verlag/Jonathan Lovekin
Kochstar Yotam Ottolenghi serviert in seinem neuen Buch «Comfort» nicht weniger als Rezepte zum Glück. Wir zeigen euch drei davon.
Wenn ich als Kind bei den Leiterwagen-Rallyes durch den grossmütterlichen Garten eine Bruchlandung hinlegte, gabs Schnittlauchbrot, Halb-Halb (ein Ostschweizer Mixgetränk aus Orangenlimo und Apfelsaft) und viel lavendelduftende Zuwendung. Je nach medizinischer Notlage auch ein Pflaster. Weshalb ein Butterbrot mit Schnittlauchröllchen und einer Winzigkeit Salz bis heute eine Wirkung auf mich hat, die ansonsten wohl nur mit illegalen Substanzen zu erreichen wäre: der sofortige Zustand von Geborgenheit, Glück und seliger Unbeschwertheit.
Darum geht es auch im neuen Buch des britischen Kochs Yotam Ottolenghi und seiner Kollegin Helen Goh. Um Trost und Liebe, Heimat und Fernweh – um Menschen, Orte, Erlebnisse und das Essen, das alles miteinander verbindet. Zum Ausdruck gebracht in grossartigen Gerichten wie Schawarma-Hackbraten mit caramelisierten Zwiebeln, geröstetem Spitzkohl mit Miso-Butter, gebackener Polenta mit Zucchetti und grüner Harissa, asiatisch inspirierter Bolognese oder feinen Pastetchen mit Käse, Fleisch oder Gemüse oder allem miteinander. Die Einflüsse aus Italien, der Levante und Fernost sind unverkennbar, die Rezepte eher aufwendig, aber Ottolenghilike akkurat und auch für weniger Geübte machbar.
Etwas traurig fand ich, dass die Autor:innen sich verpflichtet fühlten, das Thema kulturelle Aneignung anzuschneiden. Als ob der Freude an den Küchen und Aromen der Welt etwas Anrüchiges, Respektloses anhaftet, als ob die Menschen nicht seit jeher nebst dem neuesten Klatsch auch ihre Lieblingsrezepte austauschten, um sie weiterzuentwickeln, an ihre Lieben weiterzugeben, auf Reisen zu schicken. Das hat, da gehe ich mit Ottolenghi und Goh einig, vor allem mit kultureller Wertschätzung zu tun.
Weisse Riesenbohnen mit gerösteten Kirschtomaten
Für 4 Personen
500 g Kirschtomaten
85 ml Olivenöl
1 Zwiebel, fein gewürfelt (150 g)
2 Knoblauchzehen, in dünne Scheiben geschnitten
2 TL getrockneter Oregano
2 TL Thymianblättchen, grob gehackt, plus einige ganze Thymianblättchen zum Garnieren
1 TL Fenchelsamen, geröstet und leicht zerstossen
1 Lorbeerblatt
80 ml trockener Weisswein
2 TL geräuchertes Paprikapulver
1 Glas weisse Riesenbohnen (700 g), abgetropft und abgespült
Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Zum Servieren
75 g griechischer Joghurt Dicke Scheiben helles Sauerteigbrot (oder anderes knuspriges Brot), getoastet (nach Belieben)
Backofen auf 210 Grad (Umluft) vorheizen. Tomaten mit 2 Teelöffel Öl durchheben und auf einem mit Backpapier ausgelegten Backblech verteilen. Im Ofen 20 Minuten rösten, bis die Häute sich abgelöst haben und die Tomaten weich und ein wenig geschrumpft sind. Aus dem Ofen nehmen und Tomaten mitsamt ausgetretenem Saft zum Abkühlen in eine flache Schüssel füllen.
Auf das Blech frisches Backpapier legen und die Ofentemperatur auf 100 Grad (Umluft) reduzieren.
Sobald die Tomaten soweit abgekühlt sind, dass man sie anfassen kann, Häute abziehen und diese auf das ausgelegte Blech legen. Blech wieder in den Ofen schieben und Häute etwa 45 Minuten rösten, bis sie trocken und knusprig sind, dabei immer wieder kräftig durchrühren. Gehäutete Tomaten beiseitestellen.
Restliche 75 Milliliter Öl in einem Topf bei mittlerer Temperatur erhitzen. Zwiebel und Knoblauch darin mit Oregano, Thymian, Fenchelsamen und Lorbeer 10 bis 12 Minuten anschwitzen, bis die Zwiebelwürfel weich sind, aber kaum Farbe angenommen haben. Wein angiessen und 2 Minuten einkochen lassen, dann Paprikapulver unterrühren. Alles 1 Minute anschwitzen. Fruchtfleisch der Tomaten mit 1 Teelöffel Salz hinzufügen. Das Ganze 15 Minuten schwach köcheln lassen, dabei häufig rühren, damit die Tomaten zerfallen. Bohnen mit reichlich Pfeffer unterrühren. Etwa 2 Minuten heiss werden lassen, dann vom Herd nehmen.
Joghurt auf einer Servierplatte verstreichen und Bohnenmischung daraufhäufen. Getrocknete Tomatenhäute darüberkrümeln. Alles mit Thymianblättern bestreuen und nach Belieben mit Brot zum Auftunken servieren.
Mein Tipp:
- Die geröstete Tomatenhaut ist köstlich, sieht toll aus und lässt sich wunderbar aufbewahren.
Ofenlachs auf Puttanesca-Art
Für 4 Personen
200 g grüne Bohnen, geputzt
6 Frühlingszwiebeln, quer gedrittelt (75 g)
200 g Kirschtomaten in verschiedenen Farben, halbiert
200 g Kirschtomaten in verschiedenen Farben, halbiert
6 Lachsfilets mit Haut (etwa 720 g)
Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Tomaten-Sardellen-Ol
85 ml Olivenöl
8 Sardellenfilets, fein gehackt
2 1/2 EL Tomatenmark
1 TL Chiliflocken
2 TL Korianderkörner, im Mörser etwas zerstossen
8 Knoblauchzehen, in sehr dünne Scheiben geschnitten
2 eingelegte Zitronen, Fruchtfleisch und Kerne entsorgt, Schale fein gehackt (20 g)
2 TL Ahornsirup
Salsa
60 g entsteinte Kalamata-Oliven, halbiert
60 g Kapern, grob gehackt
1 eingelegte Zitrone, Fruchtfleisch und Kerne entsorgt, Schale in dünne Streifen geschnitten (10 g)
10 g Basilikumblätter, grob gehackt
10 g Petersilienblätter, grob gehackt
2 EL Olivenöl
2 TL Zitronensaft
Für das Tomaten-Sardellen-öl öl mit Sardellenfilets und Tomatenmark in einem kleinen Topf bei mittlerer Hitze zum Köcheln bringen. Dann unter gelegentlichem Rühren 5 Minuten köcheln lassen. Chiliflocken und Korianderkörner hinzufügen und das Ganze 1 weitere Minute köcheln lassen, bis es duftet. Vom Herd nehmen. Knoblauch, eingelegte Zitronen und Ahornsirup hinzufügen und unterrühren. Zum Abkühlen beiseitestellen. Kann bereits am Vortag zubereitet werden.
Backofen auf 220 Grad (Umluft) vorheizen. Bohnen, Frühlingszwiebeln und Tomaten auf ein tiefes, mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen. Mit 3 Esslöffeln Tomaten-Sardellen-öl beträufeln. Mit 1/4 Teelöffel Salz und reichlich Pfeffer versehen. Alles durchheben, dann das Blech für 12 bis 13 Minuten in den Ofen schieben. Bohnen und Tomaten sollten weich werden und etwas Farbe annehmen.
Inzwischen Lachsfilets auf einen Teller legen und mit restlichem Tomaten-Sardellen-öl beträufeln (und auch mit den festen Bestandteilen). Wenn die Garzeit von Bohnen und Tomaten abgelaufen ist, Lachsfilets dazwischensetzen und den Lachs 8 weitere Minuten mitgaren. Blech aus dem Ofen nehmen und alles 5 Minuten ruhen lassen.
Während der Lachs im Ofen ist, Zutaten für die Salsa in einer kleinen Schüssel verrühren. Salsa grosszügig mit Pfeffer würzen. Die Hälfte der Salsa auf dem Lachs verteilen und den Fisch warm (oder lauwarm nach Belieben) servieren, restliche Salsa in einer kleinen Schüssel separat dazureichen.
Meine Tipps:
- Dieses Blechgericht – für den Showeffekt unbedingt das ganze Blech auf den Tisch stellen – bringt mit Vitaminen, Pfiff und fulminanten Aromen eine Portion Sonne in trübe Tage.
- Für alle, die keinen Fisch mögen, habe ich den Lachs durch Poulet-Minifilets ersetzt. Einfach von Beginn weg mit dem Gemüse in den Ofen schieben. Eine empfehlenswerte Alternative!
- Auf die Schnelle waren keine eingelegten Zitronen zu kriegen. Ich habe sie durch Zitronenabrieb ersetzt und eine Prise Salz hinzugefügt. Okay, es ist nicht ganz dasselbe, aber geschmeckt hat es dennoch ausgezeichnet.
Helens Bolognese
Für 4 Personen
75 ml Erdnussöl
1 Zwiebel, fein gewürfelt (180 g)
1 grosse Karotte, geschält und fein gewürfelt (125 g)
1 Stange Staudensellerie, fein gewürfelt (75 g)
2 Sternanis
1 Zimtstange
2 Lorbeerblätter
1 1/2 TL Sichuan-Pfefferkörner, im Mörser grob zerstossen
1 TL Fenchelsamen, im Mörser grob zerstossen
500 g gehacktes Schweinefleisch (oder Rindfleisch oder eine Mischung aus beidem)
3 Knoblauchzehen, geschält und zerdrückt
40 g Ingwer, geschält und fein gehackt
2 EL Shaoxing-Reiswein
100 g Toban Djan (Fertigprodukt, Chili-Bohnen-Sauce aus Sichuan)
50 ml helle Sojasauce
310 ml Wasser
1 EL Speisestärke
7 Frühlingszwiebeln, in feine Ringe geschnitten (75 g)
360 g Pappardelle
Angemachte Gurke
1 grosse Gurke, in dünne Stifte geschnitten (310 g)
2 EL Reisessig
1 TL flüssiger Honig
1 TL Sesamöl
Salz
Zum Servieren
5 g Korianderblätter, grob in Stücke gezupft
1 1/2 EL gerösteter Sesam
öl in einem Topf, für den ein passender Deckel vorhanden ist, bei mittlerer bis hoher Temperatur erhitzen. Sobald es heiss ist, Zwiebel, Karotte, Sellerie, Sternanis, Zimt und Lorbeer darin unter häufigem Rühren 5 Minuten braten. Sichuan-Pfefferkörner und Fenchelsamen hinzufügen. Alles 5 Minuten weiterbraten, dabei ab und zu umrühren, bis das Gemüse etwas Farbe annimmt. Topf vom Herd nehmen und Gemüse mit einem Schaumlöffel aus dem Topf auf einen Teller heben; öl und andere Rückstände im Topf lassen.
Topf bei mittlerer bis starker Hitze auf dem Herd lassen. Fleisch, Knoblauch und Ingwer einrühren. Unter gelegentlichem Rühren 5 bis 7 Minuten braten, bis das Fleisch leicht gebräunt ist. Reiswein angiessen und 1 Minute verkochen lassen. Toban Djan, Sojasauce und 250 Milliliter Wasser einrühren. Alles mit schräg aufgelegtem Deckel bei mittlerer bis schwacher Hitze etwa 25 Minuten köcheln lassen. Dabei gelegentlich umrühren.
Während die Fleischsauce köchelt, Speisestärke mit restlichen 60 Milliliter Wasser verrühren; beiseitestellen.
Gegartes Gemüse mit Frühlingszwiebeln und angerührter Stärke in die Sauce mischen. Das Ganze offen noch 5 Minuten köcheln lassen.
Inzwischen Zutaten für die angemachte Gurke mit 1/4 Teelöffel Salz in einer kleinen Schüssel vermischen und beiseitestellen.
Pappardelle in kochendem Salzwasser al dente kochen, dann auf vier Schalen verteilen. Fleischsauce daraufschöpfen und etwas Gurke daraufsetzen. Noch mit Korianderblättern und Sesam bestreuen, dann servieren und restliche Gurke dazu reichen. Die ganzen Gewürze sind hübsch als Deko, müssen aber spätestens beim Essen aussortiert werden.
Meine Tipps:
- Kühner Name! Diese Fleischsauce hat mit einer Bolognese etwa so viel gemeinsam wie Wan Tans mit Ravioli. Ein kleines Augenrollen sei Italianità-Purist:innen deshalb erlaubt. Danach empfehle ich, den Kochlöffel zu schwingen. Denn die Sauce ist der Burner.
- Apropos Burner: Ich musste die Sauce mit 1 bis 2 Deziliter Wasser verdünnen, sie war mir zu scharf. Was daran liegen könnte, dass ich kein originales Toban Djan gefunden habe, sondern ein Alternativprodukt mit in Chiliöl eingelegten schwarzen Bohnen.
Yotam Ottolenghi, Helen Goh: Comfort. Rezepte, die du lieben wirst. DK Verlag Dorling Kindersley, München 2024, 320 Seiten, ca. 50 Fr.