Fiat 500 C
- Text: Peter AckermannFotos: Fotostudio annabelle
Innert Sekunden hat annabelle-Testerin Nicole Ackermann ihr Herz an den Fiat 500 C verloren. Wissenschafter wissen weshalb.
Die Schlagzeilen vollführten Kapriolen: Liebe auf den ersten Blick! König der Herzen! Grosser Sieg für Italo-Zwerg! Schweiz fährt auf Fiat 500 ab! – Kaum ein Kleinwagen wurde je so hochgejubelt wie das Remake des Cinquecento bei seiner Markteinführung vor drei Jahren. Auch meinen Freundinnen und mir entweicht ein schwärmerisches Seufzen, als wir ihn zum ersten Mal sehen. «Das ist ein Herzensbrecher», sagt eine, und eine andere: «Das ist der bestaussehende Begleiter jeder Single-Frau.» Mir selbst erscheint er wie ein Glücksversprechen. Wo er gesehen wird, erntet er Zuspruch. Es ist schier unmöglich, ihn nicht sympathisch zu finden. Woran liegt das?
«An seiner Innenausstattung», sagt die SingleFreundin. «An einem biopsychischen Effekt», sagt Unternehmensberater Truls Thorstensen. Und der ehemalige Markenchef von Fiat, Luca De Meo, sagt: «An Mamma.»
Seine Mutter war es, die ihm vor Jahren das Versprechen abnahm, den Cinquecento wieder bauen zu lassen, falls er irgendwann Capo von Fiat werde. Als guter Junge gehorchte er seiner Mamma und lancierte am 4. Juli 2007 den Klassiker neu. Luca De Meo präsentierte das Remake genau fünfzig Jahre nachdem der erste Fiat 500 Nuova von der Rolle lief. Hatte der Zweisitzer in den Jahren des Wirtschaftswunders zusammen mit der Vespa Italien motorisiert, erobert der Viersitzer im Retro-Stil jetzt die Herzen nördlich der Alpen.
«Das liegt vor allem an seiner Front», sagt Truls Thorstensen. Zusammen mit Verhaltensforschern der Universität Wien und der Florida State University zeigte er in der Studie «Face to Face» auf, wie wir Autos mit Gesichtszügen assoziieren und ihnen menschliche Charaktereigenschaften zuordnen. Die Scheinwerfer werden als Augen interpretiert, der Kühlergrill oder das Firmenzeichen als Nase, die Stossstange oder zusätzliche Lufteinlässe als Mund. Tiefer gelegten Autos mit horizontal verlängerten Motorhauben und eckigen Scheinwerfern schreiben wir dominante und männliche Eigenschaften zu. Vorn und an den Seiten gerundete Hauben sowie runde Lichter gelten als freundlich und feminin. Hinter der Wahrnehmung steht eine evolutive Strategie, sagt Truls Thorstensen: «Blitzschnell entscheiden wir biopsychologisch, ob wir jemanden als Feind oder Freund einstufen – um nötigenfalls sofort zu fliehen und unser Überleben zu sichern.» Was wir auf unsere Artgenossen anwenden, übertragen wir auch auf Tiere, Pflanzen und künstliche Objekte wie Kaffeemaschinen und Autos.
Das Antlitz des jungen Sprosses von Fiat erinnert – so wie auch das des Renault Twingo oder des Mini – an das Gesicht eines Babys mit überproportional grossem Kopf, gewölbter Stirn, schwach ausgeprägtem Kinn und Kulleraugen. «Der Fiat 500 folgt in seinem Design dem Kindchenschema», sagt Thorstensen. «Es aktiviert das Belohnungszentrum im Gehirn und löst dort Glücksgefühle aus. Männer und Frauen stufen den Fiat 500 deshalb innert Bruchteilen von Sekunden als sympathisch ein.» In meinen Augen ist der Stadtflitzer überdies flink, intelligent, unkompliziert und vertrauenswürdig.
Sicher sei er, entnehme ich dem Prospekt von Fiat, im Euro-NCAP-Crashtest erreichte der Wagen mit fünf Sternen das Maximum. Der Dreitürer wurde in Turin geplant und entworfen. Auf seinem Kühler prangt der Schriftzug «Fiat», das Akronym für Fabbrica Italiana Automobili Torino. Fabriziert wird das Kultauto aber gut zwanzig Autostunden von Turin entfernt im polnischen Tichy, wie auch der Panda, dessen Chassis dem Cinquecento zu Grunde liegt.
2008 wurde dem Fiat 500 die renommierteste Auszeichnung der Branche zuteil, eine Fachjury wählte ihn zum Auto des Jahres. In 31 Monaten wurden eine halbe Million Stück davon produziert. 10 000 Exemplare wurden in der Schweiz abgesetzt, sechzig Prozent übrigens in der Trendfarbe weiss. Seit letztem Spätsommer ist das Kultauto auch als Cabriolet erhältlich. Bereits über 900 Schweizerinnen und Schweizer fahren die Openair-Variante.
Meine Single-Freundin behält Recht: Das Interieur wirkt sympathisch, weiche Linien und viele Rundungen prägen die Sitze und das zeitlos schöne Armaturenbrett. Dank Bluetooth lassen sich SMS lesen, und man kann mit dem Handy telefonieren, ohne die Hände vom Steuerrad zu nehmen. Ein MP3-Player oder das iPhone lässt sich an die Hi-Fi-Anlage anschliessen, die übers Steuerrad gesteuert werden kann.
Den Fahrersitz stelle ich durch einen einfachen Pumpmechanismus in die Position, die ich als ideal empfinde. Das Sichtfeld auf die Strasse ist gut. Sieben Airbags verleihen mir das Gefühl erhöhter Sicherheit – auch für meine Freundinnen, die sich auf dem Rücksitz nicht über mangelnde Beinfreiheit beschweren. Hätten sie ein paar Taschen dabei, würde es eng.
Ich schätze den weiter oben angebrachten Schaltknauf, der angenehmer zu bedienen ist als ein Knüppel in der Mittelkonsole. Die Schaltung reagiert so geschmeidig, als sei sie eine Verlängerung meines Arms.
Durch Knopfdruck lässt sich das robuste Stoffdach um einen Viertel, um drei Viertel oder ganz öffnen. Dann faltet es sich mitsamt der heizbaren Heckscheibe und Hutablage zusammen und vermittelt so das uneingeschränkte Gefühl von Dolce Vita. Um es wieder in seine Ausgangsposition zurückgleiten zu lassen, benötigt es nur 16 Sekunden. Das Dach lässt sich aber nur bei Fahrtgeschwindigkeiten von maximal 60 km/h schliessen. Der 75-PS-Diesel-Motor schnurrt angenehm. Bei offenem Dach und einer Geschwindigkeit ab 90 km/h sind Gespräche mit den Freundinnen auf dem Rücksitz kaum mehr möglich, zu wuchtig wummert der Motor.
Ist das Dach ganz zurückgerollt, behindert es die Sicht über den Innenrückspiegel. Das ist weiter nicht schlimm, weil im Cabrio serienmässig hinten Parkiersensoren eingebaut sind. Der Kofferraum des Fiat 500 C bietet genügend Platz, um all das einzupacken, was es für ein verlängertes Wochenende zu zweit benötigt.
Die Sonnenbrille aufgesetzt und ein feines Tuch um den Hals gebunden, fahre ich dem Süden zu. In den Wolken entdecke ich Drachen. Tiere. Und Gesichter. Es muss am Fahrtwind liegen, dass ich überall Babys sehe.
Motor: 4 Zylinder
Fahrleistung: 75 PS/55 kW, von 0 auf 100 km/h in 13 s
Höchstgeschwindigkeit: 165 km/h
Masse: Länge 3.546 m, Breite 1.627 m, Höhe 1.488 m
Leergewicht: 1025 kg
Verbrauch: 4.2 l/100 km
CO2-Emissionen: 110 g/km
Abgasnorm: Euro 5 ready
Energieeffizienz: A
Preis: ab 22 000 Fr.
Infos: www.fiat.ch