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Was das Phänomen Thierry Mugler ausmachte

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Was das Phänomen Thierry Mugler ausmachte

Manfred Thierry Mugler kreierte nicht Kleider, sondern schuf neue Silhouetten. Frauen waren für ihn nicht nur Models, sondern Amazonen. Nun ist einer der letzten grossen Modeschöpfer mit 73 Jahren verstorben.

1948 in Strasbourg geboren, ging Manfred Thierry Mugler mit nur 20 Jahren nach Paris und eroberte die Fashionwelt. Er war es, der zusammen mit Claude Montana und Jean Paul Gaultier Ende der Siebzigerjahre die Mode revolutionierte. Frauen wurden damals zu Heldinnen stilisiert mit extrem breiten Schultern, Wespentaillen und besonders langen Beinen. «Er war zeitlos – und seiner Zeit voraus», sagte etwa Supermodel Jerry Hall in einem Gespräch mit der New York Times 2019 über ihn. Sie war seine langjährige Muse, lief bereits an seiner ersten Fashion Show 1978 und war später Gesicht seines Duftbestsellers Angel. «Er wusste alles über Geschlechterfluidität und seine Kleidung spiegelte die Hitze und Sexualität der späten Siebziger und frühen Achtziger wider.»

Während zehn Jahren galt die Silhouette der Achtziger als wegweisend und Mugler perfektionierte seine Idee von der Frau als Amazone im perfekten Powersuit. Seine Entwürfe waren nicht einfach nur Klamotten, die Körper einkleideten – nein, sie modellierten diese regelrecht. An gewissen Stellen umhüllten sie sanft, an anderen vergrösserten und verkleinerten sie Bestehendes und schufen so neue Formen.

Seine Fashion Shows waren besonders revolutionär. Sie sprengten buchstäblich Grenzen. In Bezug auf die Besetzung – neben Topmodels buchte er bereits in den Achtzigern Aktivist:innen, trans Frauen, Plus Size Models und Schauspieler:innen – aber auch in Bezug auf die Spektakel, die seine Shows waren.

Für seine Jubiläumsshow 1995 beispielsweise, als er das 20-jährige Bestehen seines Brands feierte, liefen fast sechzig Models über den Laufsteg. Neben Supermodels einer früheren Ära wie Jerry Hall gaben sich auch zahlreiche Supermodels der Neunziger wie Claudia Schiffer, Nadja Auermann oder Naomi Campbell die Ehre. Begleitet von Go-go-Tänzer:innen und Dragqueens, einer Showeinlage von James Brown und Konfetti-Regen und Schauspielerin Tippi Hedren in einem an ihre Hauptrolle in Hickcocks Die Vögel angelehntes schwarzes Satinkleid.

Ein Platz im Olymp der Düfte

In den Neunzigern veränderte sich die Mode radikal: Grunge war angesagt und die jungen Frauen kleideten sich in Schlabberpullovern und Jeans. Es schien, als ob Muglers Heldinnen und seine Extravaganz nicht mehr gefragt waren.

Doch dank der Lancierung seines Duftes Angel Anfang der Neunziger blieb Muglers Name in aller Munde. Es war ein Parfum, das frau entweder liebte oder hasste: intensiv, schwer und absolut neu. So sicherte sich Mugler einen Platz im Olymp der Düfte. Einen Erfolg, den er zusammen mit der Schweizerin Vera Strübi, die damals für seine Düfte zuständig war, im Jahre 2005 mit dem Duft Alien wiederholen konnte.

Aber mit seiner Mode ging es bergab, Mugler zog sich aus seiner eigenen Marke zurück. Einerseits, weil der Zeitgeist sich verändert hatte, andererseits weil Manfred Thierry Mugler seinem Stil treu blieb und sich nicht anpassen konnte oder wollte. Er hielt an seiner Ästhetik fest und schaffte es so, dass seine Kreationen für alle wiedererkennbar wurden: Ein Mugler-Look hebt sich klar ab von anderen Designs.

In den letzten Jahren haben ihn die Grössen des Showgeschäftes wiederentdeckt und ihm zu neuer Bekanntheit verholfen. Unter seinem persönlichen Namen Manfred Thierry Mugler erschuf er mit seinen Looks Beyoncés Alter Ego Sasha Fierce mit, war an Lady Gagas Metamorphose mitbeteiligt und verhalf nicht zuletzt Kim Kardashian zu einem ihrer ikonischsten Looks an der Met Gala 2019. Sie erschien im legendären Wet-Look aus hautengem Latex mit tropfenden Perlen.

Vom Baletttänzer zum Superhelden

Kreativ und experimentierfreudig war Mugler auch mit seinem eigenen Körper. Sein Anblick war gewöhnungsbedürftig. Als unser Beauty-Chef Niklaus Müller ihn 2017 zu einem Interview traf, wusste er zuerst nicht, wo er hinschauen sollte. Thierry Mugler, der sich inzwischen Manfred T. Mugler nannte, veränderte in den letzten Jahren sein Gesicht und seinen Körper immer mehr. Der einst feingliedrige Junge aus Strassburg sah beim Treffen in Paris aus wie ein Berufscatcher: bullig, extrem muskulös und im Gesicht mehrfach operiert. Eine Methamorphose, die nicht unbedingt vorteilhaft war.

«Ich wollte, dass mein Gesicht einen Fortschritt darstellt. Ich habe in meinem Leben so viel erreicht und so viel gekämpft. Ich bin ein Superheld, also ist es normal, das Gesicht eines solchen zu haben», sagte er in einem Gespräch mit dem Interview-Magazine.

Ein feinfühliger Mensch

Er betrachtete den menschlichen Körper immer schon als Instrument für künstlerische Höchstleistungen. Der frühere Balletttänzer wollte aus seinem ehemals schmalen Körper den eines Kriegers schaffen: «Ich denke, es ist wichtig, dass der Mensch sich selbst vollständig verwirklicht. Der menschliche Körper hat mich schon immer fasziniert, und ich wollte dem, was er leisten kann, Tribut zollen.»

Im Gespräch Niklaus Müller stellte er sich als feinfühlig, sensibel und fast scheu heraus. Man merkte, dass die Modeindustrie ihn mehrfach enttäuscht und verletzt hatte, und dass er sich vielleicht auch deswegen, hinter einer Art Rüstung oder Panzer verstecken wollte.

Muglers Verhältnis zur Modebranche blieb schwierig: «Als ich angefangen habe, war die kreative Seite der Mode das Wichtigste. Heute geht es nur noch ums Geschäft. Das Geld schreibt den Kreativen vor, was sie zu tun haben. Oft verhindern die Labels die kreativen Outputs der Designer nur des Geldes wegen.»

Jetzt ist Manfred Tierry Mugler tot. Der Designer verstarb überraschend im Alter von 73 Jahren. Seine Duftkreationen und auch sein Modevermächtnis werden weiter bestehen. Und es bleibt zu hoffen, dass er seine Engel, Amazonen und Ausserirdischen in einer anderen Welt idealisieren kann.

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