Melania Trump und der Hut des Anstosses

Viele Grüsse aus dem Land of the free. Als ob wir mit einer brennenden Stadt nicht schon genug um die Ohren hätten, feiern wir heute auch noch Donald Trumps Amtseinführung. Was das für die modische Zukunft dieses verlorenen Landes bedeuten wird? Nun: Viel Rot, sehr viele Louboutins, die Renaissance des Décolletés, Jupes von unmöglicher Länge, goldene Sneakers, Jackie-O-Sonnenbrillen und Fake Tans.

Dass Mr. President seine übliche Krawatte in Überlänge (wie die Krawatte des Mannes, so NICHT sein Johannes?) trug, war abzusehen. Aber Melania Trump war mal wieder für eine modische Überraschung gut. Sie trug ein Ensemble des amerikanischen Designers Adam Lippes bestehend aus einem marineblauen Mantel aus Seidenwolle, einem Pencil Skirt und einer elfenbeinfarbenen Bluse aus Seidenkrepp.

«Die Tradition der Amtseinführung des Präsidenten verkörpert die Schönheit der amerikanischen Demokratie und heute hatten wir die Ehre, unsere First Lady, Frau Melania Trump, einzukleiden. Frau Trumps Outfit wurde von einigen der besten Kunsthandwerkern Amerikas entworfen», so Lippes in einer Pressemitteilung. Tatsächlich wurde nichts, was für unsere Augen sichtbar die Haut der First Lady berührte, in China produziert. Das wäre auch zu einfach gewesen.

Ich muss sagen, Melanias puderblauer Jackie-Kennedy-Look von Ralph Lauren bei Trumps erster Amtseinführung war fantastisch, wenn diese Frau irgendetwas hat, dann ist es modisches Kalkül. Auch der Look heute ist vielsagend.

Traditionell tragen die First Ladies fröhliche Farben an diesem vermeintlich feierlichen Event. Warum also trägt Melania Trump beinahe schwarz? Anlässlich der Beerdigung der Demokratie womöglich? Warum zeigt sie ihre Augen nicht? Bob Dylan trägt auf der Bühne ähnliche Hüte, damit nichts von seiner Musik ablenkt, auch nicht sein Gesicht. Möchte Melania mit diesem unnahbaren Look etwa alle Augen auf ihren Mann gerichtet haben? Oder hat sie schlicht zu oft mit Barron «Shrek» geguckt und der Look ist eine Hommage an den gestiefelten Kater? Ein Make-America-Great-Again-Hamburglar gar? Immerhin ist Donald Trump für seine Liebe zu (und Zusammenarbeit mit) McDonald’s bekannt.

Nun, die Kunst des modischen Fuck You beherrscht die First Lady. Erinnern wir uns nur an ihren «I Really Don’t Care, Do U»-Zara-Moment an der mexikanischen Grenze. Aber nicht immer sind die anderen, sprich die Medien, der Feind. Melania Trump schlägt schon mal ihrem Mann öffentlich die Hand weg oder gibt Interviews darüber, wie das Paar oft gegensätzlicher Meinung sei. Ist dieser Hut also eine modische Abgrenzung gegenüber ihres Geschäftspartners, Pardon, Ehemannes? Immerhin könnte man sagen, dass es wahres Powerdressing ist, wenn ein Hut einem Mann, den man nicht an sich heranlassen will, den Kuss verweigert. Den wichtigen Moment, der Kuss zwischen dem First Couple, degradierte der Hut jedenfalls zu einem distanzieren Luftkuss.

Ganz ehrlich, ich wünschte, Melania Trump würde modisch ausdrücken, nicht Teil des Maga-Teams sein zu wollen. Kleine textile Hilfeschreie. Trägt Sie demokratisches Blau? Will Sie Trump mit dem «Bleib mir vom Leib»-Hut blamieren? Ich muss aber leider zugeben, dass das eben doch nur eins ist: Wunschdenken.

Vielleicht gefällt es ihr, beliebter zu sein als ihr Mann, die Tür zur liberalen Welt immer noch einen Spalt offenzulassen. Melania Trump mag eine Opportunistin sein, womöglich beherrscht sie «The Art of the Deal» besser als ihr Mann, aber: In den entscheidenden Momenten steht sie zu und neben Donald Trump. Hören wir also auf sie zur potenziellen Gegnerin des vielleicht gefährlichsten Mannes der Welt, mit dem sie immerhin seit knapp zwanzig Jahren verheiratet ist, zu stilisieren. In eine solche Rolle rutscht man nicht mal eben aus Versehen. Sie ist jeden Tag aufs Neue eine sehr bewusste Entscheidung.