Fashion
Es ist hip, Hausfrau zu sein: Der «Tradwife»-Trend auf dem Laufsteg
- Text: Linda Leitner
- Bild: Launchmetrics Spotlight
Honey, I'm Home! Designer Marc Jacobs zeigte seine Sommerkollektion an Frauen, in deren Handtasche man eine frisch gebackene Sahnerolle vermuten könnte. Eine Rückwärtsrolle für den Feminismus? Schliesslich diskutiert auch das Internet gerade den «Tradwife»-Trend.
«Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?», plärrte es in den Fünfzigerjahren aus den Fernsehern. Wie das duftet! Nach frischem Gugelhupf! Zu viel Haarspray! Überholten Klischees!
Als Marc Jacobs im Februar seine Sommerkollektion zeigte, roch es exakt wie damals: Die Haare der Models waren turmhoch toupiert, sie trugen Kostüme und brave Blusen und schienen geradewegs aus einer adretten Hausfrauenwerbung gestolpert zu sein. Ofenfrisch aus der Zeitmaschine geholt, liefen sie etwas derangiert unter einem riesigen Tisch hin- durch, wie ferngesteuert. Das Grauen en miniature.
Das Phänomen «Tradwive»
Die Kleidung sass schlecht, war lächerlich gross, stand schablonenhaft von den dünnen Körpern ab: Ein erstarrtes Übergross, das die Frauen mehr einschränkte als locker umspielte. Ist diese unbewegliche Art von Oversize ein Downsizing von all dem, wofür wir Frauen so lange gekämpft haben? Freiheit. Unabhängigkeit. Gleichberechtigung.
Eine neue alte Version der traditionellen Hausfrau kriecht derzeit auch in den sozialen Medien laut mit den Töpfen scheppernd hinter dem Herd hervor. Junge Frauen schweben auf Instagram und Tiktok, mal schnippelnd, mal bügelnd durch ihr keimfreies Heim-Idyll. Sie backen selig lächelnd Pfannkuchen und streuen mit perfekt manikürten Fingern Blattgold aufs Rührei – für exakt den Start in den Tag, den der Schatz verdient.
Was Mann nämlich braucht, ist ein Zuhause so clean wie der Speiseplan der vom morgendlichen Yoga gezeichneten Freundin. Eine, die tüchtig zuhause wartet, eine hübsche «Stay-at-home-Girlfriend», eine «Tradwife» – eine Partnerin, die den so betitelten Trends zufolge die traditionellen Geschlechterrollen schätzt. Eine, die morgens als Erstes die Spülmaschine ausräumt. Das ist übrigens ein heisser Tipp an alle «young homemakers» da draussen, um friedlich Ordnung zu halten – vom Instagram-Account @TheTradwivesClub mit über 26 000 Follower:innen.
Erfüllung darin finden, nicht zu arbeiten, dem Gatten möglichst sexy hinterherzuräumen – ist das nicht Rückschritt? Eine inszenierte Romantisierung von Abhängigkeit? Haben wir nicht längst über «Desperate Housewives» gekichert, die laut der gleichnamigen TV-Serie nichts Besseres mit sich anzufangen wissen, als irgendwann zu morden? Gut, damals hat man sich noch nicht mit Selfcare abgelenkt.
Ein radikaler Akt?
Der Feminismus hat dafür gesorgt, dass Frauen die Wahl haben. Ist es mutig, mit dem Zeitgeist zu brechen und ums Verrecken kein Girlboss sein zu wollen? Ist das im Grunde ein radikaler Akt?
Nun will Marc Jacobs wohl niemanden unterm Tisch verstecken. Die Models in den steifen Retro-Looks schlappen schliesslich in viel zu enormen Clown-Schuhen über den Runway. Sie leben absolut autark auf grossem Fuss und stolpern dennoch nicht. Alles nur Spass also. Ein Scherz. Man wünschte fast, das wären die Tradwives auch.