Fashion
Ein reiches Leben: Der Schweizer Fotograf Hans Feurer ist verstorben
- Text: Linda Leitner
- Bild: Lukas Lienhard
In der Schweiz galt Hans Feurer als bekannter Unbekannter – in der Welt der Modefotografie gehörte er zu den hellsten Fixsternen. Das Strahlen um den «Meister des Gegenlichts» ist jetzt erloschen: Der Zürcher starb im Alter von 84 Jahren.
«Hans Feurers fotografierte Körper sind leuchtende Landschaften», liest man in einem Bildband über den Künstler. Er hat dieses magische Licht erfunden, den Lichtkranz, der die Menschen auf seinen Bildern erstrahlen lässt. Was ihn umtrieb, war mehr als Mode: Er wollte Frauen in ihrer wahren Schönheit zeigen. Hautnah, intensiv, verführerisch. Sein Stil hat berühmte Fotografen geprägt: Inez van Lamsweerdes oder Steven Meisels Fotos sind keine Kopien seiner Kunst, sondern eine Hommage an Hans Feurer. Er mochte das Wahrhafte, das Ungeschönte.
Er war bekannt dafür, dass er keines seiner Bilder retuschierte, nie mit Filtern oder Reflektoren arbeitete und in seinen Aufnahmen lieber draussen das Naturlicht einfing, als im Studio mit Blitzanlagen zu fotografieren. «Meister der Gegenlichtfotografie» wurde der 1939 als Sohn eines Toggenburgers und einer Italienischbündnerin geborene Ausnahmekünstler genannt.
Er machte Iman zum Star
Begonnen hat er seine Karriere im Swinging London der Sechzigerjahre, wo er für Trendmagazine wie «Twen» oder «Nova» fotografierte. Es folgten legendäre Aufnahmen für den Pirelli-Kalender, Kampagnen für Bogner, Kodak, Kenzo, Comme des Garçons und zahllose Fotostrecken in «Vogue» und «Elle». Er machte ausserdem das somalische Topmodel Iman – Witwe des verstorbenen David Bowie – mit einer Kampagne für Kenzo 1983 zum Star.
So heisst es. Fragte man ihn danach, so wie es die damalige annabelle-Chefin Silvia Binggeli im Jahr 2014 tat, winkte er ab: «Ach was! Iman war vorher schon berühmt.» Iman besässe die Gabe, sich total zu konzentrieren, das wirke dann fast magisch. Bescheiden war er, umso reicher aber war sein Leben.
Eine Karriere, zügig und in vollen Zügen genossen
Nach der Kunstgewerbeschule reiste Hans Feurer in den Sechzigerjahren nach Paris, wo die Bohème die Weltordnung hinterfragte und er in der Modewelt schnell zum gefragten Art Director wurde. Seine radikale Ästhetik kam an, auch als Fotograf, zu dem er sich im Selbststudium ausbildete, weil er als AD irgendwann gefunden hatte: Das kann ich besser. In den Siebziger- und Achtzigerjahren holte er als einer der Ersten die Models aus den Studios.
Scheinwerfer interessierten ihn nie. Nichts sei schöner als Naturlicht, sagte er. Hans Feurer brachte seine zwei Leidenschaften zusammen: das Erkunden fremder Länder und Kulturen und die Modefotografie. In Afrika, Zentralamerika und Indien fotografierte er Kleider an starken Frauen, als einer der Ersten auch an Women of Color. Er liess seine Protagonistinnen Rollen spielen oder bemalte im Stil eines Action Painters ihre nackten Körper und Gesichter mit Farbe. Hans Feurers Bilder sind erotisch, nie aber voyeuristisch.
Immer in Bewegung, nie in geordneten Bahnen
Besuchte man den Schweizer Starfotografen zu Hause im Zürcher Oberland, wie es annabelle im Jahr 2005 durfte, hiess das auf eine Reise gehen: hier kenianische Suaheli-Hochzeitsbetten aus dem vorletzten Jahrhundert, da eine Meerjungfrau aus Holz und Millionen Jahre alte Haifischzahnfossile aus Mexiko, da noch ein Schrank, der mit marokkanischen Webteppichen vollgestopft ist. «Ich bin halt ein Sammler», sagte er damals. Die Wohnung war das Abbild der Rastlosigkeit eines Mannes, der schon immer gern Grenzen überschritten hat – erstmals Ende der Sechzigerjahre auch jene nach Afrika.
Jodeln als Waffe
Damals soll er Jodeln als Waffe eingesetzt haben, wenns brenzlig wurde: «Ich wusste von meinen früheren Reisen: Bringst du Afrikaner zum Lachen, hast du sie auf deiner Seite. Also sagte ich zum Rebellenchef: Ich habe zwar keine Papiere, aber ich kann dir beweisen, dass ich Schweizer bin. Es gibt einen Gesang, den können nur Schweizer. Er nennt sich Jodeln. Wie ein Verrückter fing ich an zu jodeln und herumzuhüpfen, so lange, bis tatsächlich das gesamte Dorf vor Lachen am Boden lag», erzählte Feurer der damaligen annabelle-Chefin Silvia Binggeli. Der Rebellenchef wollte später von Hans Feurer fotografiert werden.
Humor, ein unstillbarer Durst nach Abenteuern und grosse Ambitionen: Warum er sich denn ausgerechnet im zürcherischen Dorf Wald niedergelassen habe, fragte sich wohl so mancher. Dort, wo der Horizont so eng ist. «Ich habe mich immer wieder gern zurückgezogen», erklärte er. «Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt, bin nicht mondän. Ich bin ein Beobachter.»