Sonne im Tessin? Schön wärs! Unsere Chefredaktorin musste um ihren edlen McLaren bangen.
Ich schickte ein Stossgebet zum Himmel: Bitte, bitte lass die bösen grossen Eiskugeln nicht auf ihn einprasseln! Auf den McLaren, mein Wahnsinnstestauto – das draussen stand, als gerade ein Jahrhundertgewitter das Tessin heimsuchte … Es sollte anders kommen.
Als das Auto tags zuvor auf dem Parkplatz neben meinem Haus auf die Fahrt ins Blaue wartet, höre ich draussen plötzlich Stimmen, es ist schon fast zehn Uhr abends. Ich spähe neugierig durchs Fenster. Drei Buben, um die zwölf Jahre alt, stehen um den Wagen und stammeln Wows und Ohhhs, streichen vorsichtig über die feine Karosserie. Sicher zwanzig Minuten lang. Ich lächle. Die Geschmäcker mögen bezüglich Sportautos unterschiedlich sein. Aber ein McLaren ist Spitze in seiner Klasse.
Vor einiger Zeit besuchte ich die Produktionsstätte des Autos im englischen Woking. Sein Erfinder und Namensgeber, Bruce McLaren, eine Legende der Formel eins, verunglückte mit nur 32 Jahren bei einer Testfahrt tödlich; noch bevor sein Traum, ein Strassenwagen, gebaut werden konnte. Seine Tochter Amanda erzählte im McLaren-Hauptquartier von seiner Passion für Perfektion und von seiner Gabe, andere zu begeistern. Mechaniker in weissen Kitteln bauen das Auto Stück für Stück von Hand zusammen. Jeder Griff ein Akt. Die Headquarters wurden vom Stararchitekten Sir Norman Foster entworfen. Eingeweiht hat sie die Queen herself. Das Auto kostet ein Vermögen. Ein Kunstwerk aus bester Technologie, erstklassigen Materialien, perfektem Design – das eben diese Aura ausstrahlt.
Normalerweise ist es mit Testfahrten in einem Sportauto so eine Sache: Die Sympathien fliegen einem nicht en masse zu: Zu protzig, zu egoman, zu laut, zu gefährlich, unnötig. Doch im McLaren, stadtauswärts Richtung Tessin, heben sogar Velofahrer anerkennend den Daumen. Beim Stopp am Aussichtspunkt eilt eine Mutter mit ihrem Sohn heran und fragt, ob er sich reinsetzen dürfe. Und am besten sie auch, bitte?
Auf der Autobahn winken mir Touristen zu und bemühen sich, lange genug auf gleicher Höhe zu fahren, um ein Foto zu schiessen. An der Tankstelle auf dem San Bernardino stosse ich auf einen Porscheclub aus Deutschland, sicher fünfzehn Autos, daneben Motor-Aficionados. Einer verneigt sich vor meinem Gefährt. Irgendwann dämmerte es mir: Der McLaren ist der Roger Federer unter den Sportautos. Alle mögen ihn!
Im Tessin besuche ich eine Freundin, wir baden im See, essen abends auf ihrer Terrasse, kein Wölkchen zu sehen. In der Nacht erwache ich unter einem Dachfenster und denke verklärt: Wie romantisch, Regen. Dann schiesse ich hoch, als hätte ich 1000 PS im Blut: nicht Regen. Hagel! Ich bekomme Schnappatmung, überlege, rauszurennen, mich mit Schirm schützend auf ihn zu werfen. Vor allem aber: Wie doof bin ich, so ein Auto draussen stehen zu lassen?!
Die Sonne bringts später an den Tag. Das Auto ist mit Dellen übersät. Bedrückt öffne ich seine Flügeltüren, steige ein. Unterwegs begleitet mich der feine Ton seines Motors, die punktgenaue Schaltung, das präzise Lenksystem, die Bodenhaftung, der Sitzkomfort … Daheim parkiere ich ihn in der Garage. Und denke: Wahre Grösse kennt keine Beulen.
Modell: McLaren 570S
Motor: 3.8 Liter, V8 Doppelturbo
Fahrleistung: 570 PS, von 0 auf 100 km/h in 3.2 s
Höchstgeschwindigkeit: 328 km/h
Masse: Länge 4.53 m, Breite 2.09 m Höhe 1.20 m
Leergewicht: 1313 kg
Benzinverbrauch: 11.1 l/100 km
CO2-Emission: 258 g/km
Preis: ab 189 000 Franken
Infos: cars.mclaren.com