Cultural Appropriation: Darf die Mode das Jahr des Tigers feiern?
- Text: Leandra Nef
- Bild: Balenciaga
Viele Modehäuser feiern 2022 das Chinesische Jahr des Tigers. Ein «Roaring Business»?
Der Tiger erreichte beim grossen Rennen des Jadekaisers als drittes von zwölf Tieren das Ziel, so will es die mythologische Überlieferung. Darum feiert China alle zwölf Jahre das Jahr des Tigers. Auch 2022. 2010, beim letzten Mal, verantwortete das Land erst einen Bruchteil der weltweiten Luxuseinkäufe, wurde von High-Fashion-Marken ausserhalb Chinas weithin ignoriert.
Laut «CNN» lancierte Prada damals als eine von wenigen Marken Produkte extra zum chinesischen Neujahr: Handyschmuck mit Tigermotiv. Zwölf Jahre später entwickelt sich China zum wichtigsten Luxusmarkt der Welt. Für das Neujahrsfest 2021 etwa sollen die Chines:innen 120 Milliarden Franken hingeblättert haben – Schenken bringt Glück.
Ein lukratives Geschäft
Gleichzeitig hat es sich als lukrative Neujahrstradition westlicher Brands etabliert, sie mit thematisch abgestimmten Capsule Collections dabei zu unterstützen. Wobei sich der Tiger dank seines modischen Haarkleids natürlich besser vermarkten lässt als die Ratte vor zwei Jahren.
Einige Kollektionen sind dennoch für die Katz: Gucci fotografierte für seine Kampagne echte Tiger und wurde entsprechend kritisiert – und Marni dafür, dass es seine Raubkatzen von Magdalena Suarez Frimkess illustrieren liess, einer Künstlerin aus dem nicht sehr asiatischen Venezuela.
Der Tiger für den guten Zweck
Andere Labels arbeiten mit den Kulturen, von denen sie profitieren, zusammen: Bei Moschino etwa präsentieren einheimische Models die Kellogg’s-Frosties-Clutch mit Tony dem Tiger, bei Ferragamo designt das Künstlerduo Sun Yuan und Peng Yu den Print für die Kapsel.
Oder sie spenden: Bottega Veneta für die Instandhaltung der Chinesischen Mauer (die das Modehaus auch gleich als Werbefläche zweckentfremdet hat), Prada für den Tigerschutz.
Cultural Appreciation statt Cultural Appropriation also? Die junge chinesische Generation schätze sinnvolle Aktivitäten wie diese, liess «Vogue Business» eine Expertin erklären. Und die Brands? Die schätzen ihre Poleposition im grossen, ganz und gar (unmytho-)logischen Rennen ums chinesische Geld.